„Dorfstübli“: Volkswirtschaft

„Dorfstübli“: Volkswirtschaft 612 300

„Dorfstübli“: Volkswirtschaft

Das Echt Essen-Gasthaus im Dezember: Gut bürgerlich wird mit eigenem Fleisch, viel selbst Gemachtem im sympathischen Landgasthof gekocht. Entdeckenswert.

Es gibt sie noch die Geheimtipps, die wirklich gute Tipps sind. Im schönen Wiesental, das sich von Basel zum Feldberg schlängelt, gehört das „Dorfstübli“ unbedingt dazu. Denn obwohl es schon bald 20 Jahre existiert, gibt es praktisch keine Berichte darüber, wird es in keinem Führer erwähnt. Trotzdem ist der Gasthof am Ausgang des Steinener Ortsteils Weitenau immer gut besucht, am Wochenende regelmäßig ausgebucht.

 

Im Grünen gelegen: „Dorfstübli“

Was ist das Erfolgsgeheimnis des von Helga Läuger geführten Familienbetriebs? Dass hier noch im großen Stil selbst produziert wird – also das, was ich in meiner „Echt Essen“-Kolumne am liebsten vorstelle. So hält der Sohn Frank, ein gelernter Metzger, in den Ställen ums Stübli 45 eigene Schweine und 50 Rinder. Auch schlachtet er das Vieh (und auch noch einiges von anderen Bauern) selbst. Angesichts der immensen bürokratischen Hemmnisse, die der jahrhundertealten Tradition des Schlachtens im eigenen Betrieb entgegenstehen, eine große Leistung. Bemerkenswert auch, dass das herzhafte Brot, alle Kuchen und Torten von der Chefin Helga Läuger selbst gebacken werden.

 

Festlich geschmückt: Bitte eintreten!

Leicht untertreibend ist der Name Dorfstübli. Denn den Gast erwartet hinter dem einladenden Eingang ein großer, angenehm beleuchteter Raum, wo bis zu 80 Gäste Platz finden – und im Sommer warten auf der lauschigen Terrasse noch einmal 90 Sitzplätze. Trotzdem: Der Raum ist aus Holz und relativ hoch, sodass sich der Lärmpegel einigermaßen im Rahmen hält. Aber zu leise braucht es nun auch wieder nicht zu sein, denn das ist hier ein Gasthaus, wie es leider nur noch wenige gibt – ein Ort, wo gelacht wird, wo sich alle wohlfühlen, eine wahre Volkswirtschaft, wie sie sie etwa in den Brauhäusern Kölns und Münchens gibt. Dazu gehört, dass das Lokal durchgehend geöffnet ist, was mich erst abschreckte – aber hier gelingt es wohl, den ganzen Tag richtig zu kochen, nicht nur aufzuwärmen. Ich sehe jedenfalls einen veritablen Koch mit großer Umsicht in der Küche wirken.

 

Ja, das ist essbar: Ochsenmaulsalat

Umfangreich ist die Karte, naturgemäß mit einem Fokus auf Rind und Schwein. Ich könnte es mir etwas gestraffter vorstellen, aber ich bin ja auch nicht die wesentliche Zielgruppe – und wer weiß: Vielleicht bestelle ich beim nächsten Mal den Toast Hawaii, gibt es ja auch in meinem Rezeptbuch „Heimatküche“. Aber heute ordere ich beim aufmerksamen und selbstbewussten Service ein Gericht, das in Deutschland sehr, sehr selten auf der Karte steht: Ochsenmaulsalat. Nun, ich gestehe, dass ich ein großer Liebhaber des Fleisches aus dem Maul des Rinds bin – und ihn auch schon oft selbst zubereitet habe. Allerdings so gut wie hier, habe ich die Delikatesse selten gegessen, was natürlich zum einen daran liegt, dass das Fleisch vom eigenen Tier stammt.

Aber das Gericht ist auch verdammt gut gemacht: Fein geschnitten das Fleisch, gemischt mit gezupften Salatblättern, Essiggurke, Zwiebeln, genau der richtigen Menge Essig, etwas Petersilie begeistert es mich. Sehr gut auch die frisch geriebene, dezent gewürzte Möhre. Zusammen mit einem Stück Brot ist das alles ein kulinarisches Vergnügen für 7,50 Euro. Schade nur, dass die Kühe ohne Hörner auskommen müssen. Aber mit Horn brauchen sie mehr Platz, was die Kosten erhöht – und günstige Preise sind unabdingbar für den steten Publikumszustrom ins geschätzte Lokal.

 

Liebevoll eingedeckt: Die Gäste können kommen

Ideal für alle Arten von Gesellschaften ist das Dorfstübli, was auch am großen Parkplatz liegt. Aber es fährt auch ein Bus, nämlich der Bahnbus 7305 in einer guten Viertelstunde von Steinen nach Weitenau. Viele Stammgäste sehe ich, die mit Namen begrüßt werden. Auch gibt es noch einen Stammtisch. So muss es sein, eine Wirtschaft für die Hungrigen von außen, aber auch ein Ort für das Dorf. In Bayern haben sie jetzt ein staatliches Programm zur Rettung der Gasthäuser aufgelegt, schließlich sind sie ein Teil der Kultur. Das „Dorfstübli“ zeigt, dass es auch ohne geht. Wobei die Stübli-Leute, wie viele andere traditionell arbeitende Betriebe, sicher nichts dagegen hätten, wenn sich die überbordende staatliche Regelungswut etwas zurücknähme.

 

Feines Detail: Frische Pilze auf dem Schweinefilet

Natürlich hat mich der Ochsenmaulsalat schon ziemlich gesättigt. Aber ich will ja unbedingt noch etwas vom eigenen Schwein probieren. Also für 16,50 Euro das Schweinefilet mit selbst gemachten Spätzle bestellt. Vorher wird noch ein topfrischer Salat gereicht. Ein Gedicht die Spätzle, intensiv, aber nicht mastig die Sauce, echte Kochkunst. Kluges Detail: Die frisch geschnittenen Champignons adeln das Gericht. Auf den rosa Punkt gebraten das Filet, das noch abgehangener noch zarter wäre. Drei Stücke liegen auf meinem Teller, eines schaffe ich, die beiden anderen lasse ich mir einpacken – und sie sind auch kalt noch gut.

Ordentlich gezapftes und flott gebrachtes Bier von der Staatsbrauerei Rothaus ist hier das vorherrschende Getränk. Es gibt auch Wein, das Viertele zu 4,50. Hier könnte ich mir noch einen regionalen Winzer vorstellen, etwa Karlheinz Ruser aus dem nahen Lörrach mit einem spritzigen Gutedel.

 

Zum Reinbeißen gut: Knuspriger Speckbrägel

Keine Angst, das habe ich nicht auch noch gegessen. Aber die leicht geschwellten (gekochten) und dann gebratenen Kartoffeln schmecken mit geröstetem Speck und Zwiebeln so hinreißend, dass ich meinem Freund Rudi kurz etwas davon stibitzen musste. Brägel heißt in meiner Heimat diese Zubereitung. Um aber die Gäste nicht zu verwirren, steht es als Rösti für 10,60 auf der Karte.

 

Ist in der Torte drin: Schwarzwälder Kirsch

Sicher, das war nun definitiv zu viel. Aber wenn Deutschlands berühmteste Torte angeboten wird, muss ich zugreifen – vor allem in dieser herrlichen Zubereitung für sehr gastfreundliche 2,80 Euro: In den drei fluffigen Biskuitscheiben duftet es herrlich nach Kirschwasser – die unverzichtbare Zutat der Schwarzwälder Kirschtorte, aber etwa in Köln kaum drin, wofür es einen Grund gibt. Höchst aromatisch amalgiert alles eine satt sahnige Masse mit saftigen Sauerkirschen. Großartig, werte Frau Läuger!

Ein einheimisches, sehr sanftes Kirschwasser für 2,60 Euro und einen guten Kaffee für 2,30 Euro trinke ich dazu. Wir begleichen die Rechnung, bevor wir diese gastliche Stätte höchst zufrieden verlassen, wobei hier das Motto gilt: Nur Bares ist Wahres.

Fazit: Ein angenehmes Gasthaus, wo zu reellen Preisen mit eigenen Produkten fein gekocht wird. Das weist der gut bürgerlichen Küche einen Weg in die Zukunft.

Tipp: Unbedingt von der selbst gemachten Wurst mitnehmen, die Dose für drei Euro.

„Dorfstübli“

Adresse: Scheideckstraße 27, 79 585 Weitenau

Öffnungszeiten: Di. bis Sa. ab 14 Uhr, sonntags ab 10 Uhr. Montag ist geschlossen. Möglichst telefonisch reservieren.

Kontakt: 07627/2619

www.dorfstuebli.de

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