Guter Wein muss nicht teuer sein
Das Echt essen-Spezial im Juni: Der Lörracher Winzer Karlheinz Ruser keltert bekömmliche und bezahlbare Weine – und findet inzwischen auch Anerkennung bei Experten.
Was kostet eine Flasche Wein in der Herstellung? Mit dieser Frage habe ich mich vor über zehn Jahren ausführlich beschäftigt. Denn damals habe ich bei dem befreundeten Winzer Karlheinz Ruser in meiner Heimatstadt Lörrach rund tausend Reben gepflanzt – weil ich wissen wollte, wie aufwendig die Weinbereitung ist, und was das alles kostet. Entschieden haben wir uns bei der Neuanlage für eine Rebe, die es damals im Markgräflerland kaum gab, nämlich Lemberger. Eine Rotweinsorte, die im Württembergischen mit gutem Ergebnis gepflegt wird, und die in Österreich unter dem Namen Blaufränkisch zu den Besten gehört.
Drei spannende Erkenntnisse bleiben von meinem Experiment. Erstens: Wein ist den Launen der Natur ausgesetzt. Kaum hatten wir die Reben am Ende einer Trockenperiode bei idealem Wetter gesetzt, regnete es tagelang – und viele Pflanzen verendeten durch Staunässe, mussten ersetzt werden. Zweitens: Die Weinherstellung ist teurer, als es uns die Preise in den Supermärkten suggerieren. Denn als wir einmal alle Faktoren zusammenzählten, vom Kauf des Bodens, über die Reben (sie sind der geringste Kostenfaktor), die Drähte und Pfähle, die Arbeitszeit, die Abschreibung auf die Maschinen, Flasche und Korken, da kam heraus, dass eine Flasche ziemlich genau fünf Euro in der Herstellung kostet. Aber ein Großteil der Weine in Deutschland werden deutlich billiger verkauft.

Lieben Lemberger: Karlheinz Ruser (rechts) mit Helfer
Wirklich erklären lässt sich diese Diskrepanz nicht. Aber ich habe gesehen, wie ungeheuer sorgfältig Karlheinz Ruser mit seiner tatkräftigen Frau Maria, genannt Mary, arbeitet, wie er fast täglich nach den Reben schaut, wie er zurückhaltend düngt, nur soviel spritzt, wie es unbedingt sein muss – und wie im Herbst von Hand gelesen wird, alles also sehr aufwendig. Auch wird dem Wein viel Zeit zur Reife gegeben, so ist bei den Roten erst jetzt der grandiose 2015er im Verkauf, der bei den meisten Winzern längst ausverkauft ist. Meine dritte Erkenntnis: Wein dauert. So war ich nach drei Jahren von den ersten fertigen Weinen wenig begeistert – es braucht eben seine Zeit, bis der Weinstock genügend Kraft gesammelt hat. Allerdings: Wenn ich heute einen raren 2008er Lemberger öffne, entwickelt der plötzlich ein großes Potential. Guter Wein hat eben gottseidank immer auch ein Zauberpotential.
Gern auch ein Glas mehr!
Auch fordert guter Wein seinen angemessenen Preis, was aber nicht teuer heißen muss. Bestes Beispiel dafür sind die durchgegorenen, also trockenen Gutedel von Karlheinz Ruser, wo die 2018er Literflasche genau 5 Euro kostet. Das ist ein hochbekömmlicher Tropfen mit schlanken 11 Prozent Alkohol, weshalb es auch gerne einmal ein Glas mehr sein darf. Ein hervorragendes Verhältnis von Preis zu Leistung hat auch der absolut trockene 2016er Grauburgunder mit etwas mehr Alkohol für 9 Euro. Ein Preis, der bei dem führenden Weinexperten Stephan Reinhardt für Verblüffung sorgte. Obwohl der Fachmann, der beim „Badischen Landweinmarkt“ (siehe Kasten weiter unten) eine Masterclass leitete, kein Grauburgunder-Fan ist, war er begeistert von der eleganten Kraft dieses Weines, der ihn sogar vom Chablis träumen ließ.

Ein Produkt der Natur: Lemberger Landwein
Noch mehr wunderte er sich aber über einen 2005er Spätburgunder Rotwein Kabinett von Karlheinz Ruser. Denn nach rund 15 Jahren sind die meisten Weine kaum noch trinkfähig. Aber dieser Spätburgunder mit schlanken 12,5 Prozent Alkohol präsentierte sich wie eine Eins im Glas, zeigte keinerlei Firne. Ein anerkennendes Durchatmen war zu konstatieren bei Stephan Reinhardt, der jeden Tag die besten und auch teuersten Weine verkostet. Ein solches Alterungspotential – und das für 8,60 Euro, ein Bruchteil dessen, was solche Weine sonst kosten. Schön, dass auch ausgefuchste Experten noch staunen können.
Längst vergriffen ist dieser Wein natürlich. Aber ich wage die Voraussage, dass Rusers aktueller 2015er Spätburgunder für 11 Euro ein ähnlich hohes Alterungspotential hat. Aber was ist nun aus dem gemeinsam gepflanzten Lemberger geworden? Der hat sich etabliert und verkauft sich inzwischen sehr erfreulich. Obwohl das ein fordernder Wein ist, der sich nicht sofort nach dem Öffnen voll erschließt, sondern ein, zwei Stunden oder manchmal sogar einen Tag braucht, bis er „da“ ist. Aber wer die Geduld aufbringt, wird den 2015er mit dem von dem Ravensburger Künstler Romain Finke gestalteten Etikett schätzen – und keinen Cent der 11 Euro kostenden Flasche bereuen.
„Badischer Landwein“ steht inzwischen bei Karlheinz Ruser auf dem Etikett – eine Konsequenz dessen, dass er sich aus den einengenden Strukturen der Weinbürokratie verabschiedet hat. Eine Bürokratie, welche die für den Verkauf als Qualitätswein notwendige Prüfnummer nach eigenmächtigen Kriterien vergibt – und bestimmt, was etwa ein Gutedel ist, und was nicht. Das führt dazu, dass die Kreativität des Winzers eingeschränkt wird, so dass ein nivellierender Einheitsgeschmack entsteht. Dem hat sich Ruser, wie immer mehr andere Weinbauern, entzogen – und so ist er auch ein Teilnehmer des „Badischen Landweinmarktes“, der vor kurzem zum dritten Mal in Müllheim stattgefunden hat. Eine kleine, feine Weinmesse, die Maßstäbe setzt – und über die ich weiter unten kurz informiere.
Weingut Karlheinz und Maria Ruser
Adresse: Sodgasse 7, 79 539 Lörrach-Tüllingen
Öffnungszeiten: Die Öffnungszeiten der Homepage entnehmen – und am Besten vorher anrufen!
Kontakt: 07621/49 620
„Badischer Landweinmarkt“: Weine wilder Winzer
Aufmüpfig waren die Südbadener schon immer. So gab es bis ins Jahr 1820 im Hotzenwald bei Waldshut eine fast 200 Jahre währende bäuerliche Widerstandsbewegung gegen die Obrigkeit, die „Salpeterer“. Und 1848 versuchten die Revolutionäre Erich Hecker und Gustav Struve von Lörrach aus, eine von der Fürstenherrschaft befreite Republik auszurufen – was aber leider vom Militär niedergeschlagen wurde.

Wein-fröhlich: Jancis Robinson, Stephan Reinhardt, Hanspeter Ziereisen
Bereits zum Dritten Mal fand er Ende April 2019 in der „Alten Post“ in Müllheim statt – und machte mit zwei prominenten Experten mächtig Werbung für diese „freien“ Weine. Da war zum einen als Schirmherrin Jancis Robinson, die weltweit wichtigste Weinjournalistin, und zum anderen mit einer Masterclass Stephan Reinhardt, der für den Weinpapst Robert Parker die deutschsprachigen Märkte bearbeitet.
Begeistert waren die beiden Weingurus von der Qualität der 22 teilnehmenden Winzer, was sicher auch daran lag, dass es Kultwinzer Hanspeter Ziereisen mitreißend verstand, für den unkonventionellen Genuss zu begeistern – was mein Foto von der Eröffnung eindrucksvoll dokumentiert, auch wenn es grottenschlecht ist (warum habe ich mir eigentlich das teure iPhone gekauft?). Auffallend war bei der „Masterclass“, welche großartigen Weine gerade auch kleine Betriebe keltern, etwa das demeter-Gut „Vorgrimmler“ vom Tuniberg, dessen Weine Stephan Reinhardt so charakterisierte: „Sie machen Lust aufs Weitertrinken“.
Winzer und Wirt Eine besondere Ehre wurde einem weiteren teilnehmenden Weingut zu teil, dem von Max Geitlinger, gleichzeitig Wirt des urig-eleganten Markgräfler Gasthauses „Hirschen“ in Egerten: In der Sonntags-FAZ lobte Reinhardt die „subtilen, ausgeruhten Weine des Jungwinzers als ein Muss für jeden Authentizitätsfetischisten“.
Magnet „Landweinmarkt“ Bei so viel positiver Resonanz ist es kein Wunder, dass immer mehr Weinbauern „freie“ Landweinwinzer werden wollen – und so wollen natürlich auch immer mehr Winzer am nächsten „Landweinmarkt“ teilnehmen. Der wird sicher im nächsten Frühjahr stattfinden. Hoffentlich wieder im Hotel
„Alte Post“, für mich einer der schönsten badischen Landgasthöfe, was ich vor einiger Zeit schon einmal weinselig beschrieben habe.