„Fonda Xesc“: Rustikal-raffiniert

„Fonda Xesc“: Rustikal-raffiniert 612 300

„Fonda Xesc“: Rustikal-raffiniert

Das Echt essen-Gasthaus im September: Im Pyrenäen-Dorf Gombrèn triumphiert der Sellerie. Im „Compartir“ an der Costa Brava ist ein sensationelles Menü sensationell günstig. Zwei Beispiele für die kulinarische Exzellenz von Katalonien

Katalonien. Da denken viele an den skurrilen Streit mit Spanien. Dieser schwer begreifbare Disput verstellt den Blick auf etwas viel Wichtigeres: Das Land ist ein kulinarisches Schwergewicht. Da locken gleich drei Drei-Sterne-Häuser, etwa das als weltbestes Restaurant gefeierte „Can Roca“ in Girona. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl von einfachen Gasthäusern, die zu bezahlbaren Preisen beste Qualität liefern, wie „Cova Fumada“ in Barcelona. Grundlage für diesen kulinarischen Reichtum sind ausgezeichnete Produkte: Meeresfische, Schafe, Ziegen, Kühe, die sogar in den Wäldern weiden – und schmackhafte Milch für großartige Käse geben. Ergänzt durch gutes Obst, Gemüse, Pilze und natürlich ausgezeichnete Weine.

Ja, wo weidet sie denn? Milchkuh im Wald

„Wohlleben“-Wälder Schon häufig war ich in diesem Paradies – meistens an der Costa Brava, wo ich auch wieder im einzigartigen „Compardir“ war. Aber dieses Mal bin ich endlich auch in die Pyrenäen gefahren nach Gombrèn zum Geheimtipp „Fonda Xesc“. Rund zwei Stunden dauert die Fahrt von der Küste in die herrlich-hüglige Landschaft – und ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus: Sind unsere Wälder voller abgestorbener Bäume, durchquere ich hier stundenlang prächtige, grüne Wälder – und das, obwohl es auch hier seit Monaten nicht geregnet hat. Woran das liegt? Hier durften sich die Wälder selbst stabil entwickeln, so wie es der kluge Waldexperte Peter Wohlleben fordert. Was lernen wir daraus? Nichts. Wieder werden mit viel Geld anfällige Waldplantagen gepflanzt, anstatt der Weisheit der Natur zu vertrauen.

Es grünt so grün: Wälder in den Pyrenäen

Beschaulich ist Gombrèn mit zwei Kirchen, einem quirligen Lebensmittelladen – und der „Fonda Xesc“ mitten im Dorf. Ein stattlicher Bau, wo in den dezent-eleganten Räumen einheimische Materialien wie Holz und Stein verbaut wurden. Francesc Rovira Canuda hat das seit 1975 bestehende Haus von seinen Eltern übernommen und daraus zusammen mit seiner Frau einen sympathischen Geheimtipp gemacht, wo auch angenehm übernachtet werden kann. Bei seiner Mutter hat er das Kochen gelernt, bevor er in besten katalanischen Häusern sein Handwerk so verfeinert hat, dass über seiner Fonda seit neun Jahren ein Michelin-Stern glänzt.

Hat seinen eigenen Stil gefunden: Francesc Rovira Canuda

Wir bestellen das 6-gängige Menü für angemessene 67 Euro – und werden zu Beginn mit witzigen Kleinigkeiten verwöhnt, etwa Lauch mit Minzcréme, Profiterols mit Blauschimmelkäse und einer herrlichen Geflügelessenz, in der kleine Foie Gras-Stücke und Croutons schwimmen, und wo streifig geschnittener Salbei tiefgründig würzt. Etwas ganz Besonderes ist dann der erste Gang, eine Melange aus Komponenten, die gar nicht zusammen passen dürften: Rohe Gambas, Heringskaviar, Meerrettich und eine Creme aus Stangensellerie. Es passt aber wunderbar, die süßlichen, vom Sellerie bedeckten Gambas, der herzhafte Meerrettich – und das Geheimnis für die Leichtigkeit des Gerichts liegt wohl darin, dass das Püree eiskalt ist.

Macht der Sellerie-Creme Dampf: Meerrettich

Das soll ein Salat sein? Aber Claro: Mongeta tendra (grüne Bohnen), préssec (Pfirsich), cansalada (Speck) harmonieren zusammen mit Mangold und Trauben prächtig, wobei eine leichte Sauce alles auf das Trefflichste amalgiert. Ein Gericht, das wunderbar die Canuda-Philosophie (und damit auch die Philosophie der katalanischen Küche) auf den Punkt bringt: Wenige gute einheimische Produkte möglichst wenig verändert auf den Tisch bringen. Wobei nicht dogmatisch gearbeitet wird. Denn auf der Karte sind noch Kürbis und Mandeln verzeichnet, die bei uns durch Mangold und Speck ersetzt wurden. So kommt keine Langeweile auf!

Salat süß-sauer: Mit Pfirsich und Mangold

Kommt das meiste der Xesc-Küche aus der direkten Umgebung, so stammt der Fisch natürlich von der Costa Brava. Wir genießen Pagre, einen Fisch aus der Familie der Meerbrassen. „Das geschmackstarke Fleisch ist von einem sehr großen Fisch“, klären uns die fischkundigen Freunde auf, und der Koch erläutert, dass er die Tomate stundenlang im Ganzen einreduziert hat, auf dass sie diese Intensität erlange. Schlotzige, milde Zwiebeln, ein federleichter Jus, ein himmlisch-herbes Verveine-Blättchen lassen uns ein Hochamt der katalanischen Küche feiern. Passend begleitet von einem in der Amphore gereiften, salzig wirkenden Wein (Finca Olivardots, nicht weit von Gombrén) für sagenhafte 19 Euro.

Schwimmt im federleichten Jus: Pagre

Was braucht ein gutes Gericht? Exakt drei Komponenten: Ein bei 90 Grad fünf Stunden lang geschmortes, saftiges Zicklein; eine gekonnt geräucherte Aubergine, die so vom schlichten Begleitgemüse zum gleichberechtigten kulinarischen Partner der Ziege aufsteigt; ein sahniger, mit Sesam bestreuter Joghurt. Ach, ja, etwas fehlt noch zum Genießerglück: Der 2008er Rioja „Roda I“, der reifer Schluck für noch reiferen Schluck seine 65 Euro wert ist.

Trio Geniale: Aubergine, Zicklein, Joghurt

Ein stiller Typ, von dem eine wohltuende Kraft ausgeht, ist Francesc Rovira Canuda. Und ihm entgeht nichts. So ist ihm aufgefallen, dass ich auf seiner Speisekarte von „Tripa“, also Kutteln, begeistert war. Also gibt´s für uns aufs Haus die delikate Innerei mit Bacalau, dem getrockneten Stockfisch. Leicht angeröstet sind die Kutteln, ein Gedicht. Danach im Dessert eine Homage an die Heimat: Höchst aromatische Brombeeren, die wir auf dem Spaziergang schon genascht haben. Begleitet von einer leicht salzigen Panna Cotta und einem erfreulich wenig süßen Holundereis. Ja, und dann noch ein Dessert aus herber Schokolade, Pflaume und Karamell.

Brombeeren, gekrönt von Holundereis: Dessert

Spezialisiert ist die „Fonda“ wie viele Gasthäuser in der Gegend auf Pilze – und es gibt sogar Trüffelführungen. Leider ist es derzeit dafür zu trocken, aber immerhin habe ich den Zucker senkenden Diabetes-Pilz Schopftintling gefunden – und roh gegessen.

Fazit: Eine geerdete, bekömmliche Naturküche, die den Weg ins grüne Pyrenäen-Paradies zum kulinarischen Pflichttermin macht.

„Fonda Xesc“

Adresse: Placa Roser,1, 17 531 Gombrèn, 0034/972 730 404. 

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag mittags. Freitag und Samstag auch abends.

Kontakt: www.fondaxesc.com

Tipp 1: Wenige Schritte vom Restaurant liegt ein liebevoll gepflegter Apothekergarten, wo ich erfahre, dass der Buchs den Gallefluss natürlich anregt.

Tipp 2: Oberhalb von Gombrén warten zwei wunderhübsche romanische Kirchlein und der urige Gasthof „Santuari de Montrony“, wo ich eine Salat-Wurstplatte und eine mächtige Lammschulter plus Wein für keine 20 Euro gegessen habe.

Wächst bei Gombrèn: Zuckerzähmer Schopftintling

Begeistert habe ich vor drei Jahren schon einmal das „Compartir“ im traumschönen Dali-Städtchen Cadaques direkt an der Costa Brava vorgestellt. Wie magisch hat es mich wieder hingezogen – und ich war sogar zwei Mal da, um das phantastische 12-gängige Menü für sagenhafte 70 Euro zu genießen.

Wo der günstigste Genuss Kataloniens wartet: „Compartir“

Nur wenige Kilometer vom „Compartir“ entfernt liegt das „El Bulli“, jahrelang als bestes Restaurant der Welt Kultstätte für Gourmets. Längst hat Ferran Adrià das Kultlokal geschlossen, aber sein Wirken hat überall Spuren hinterlassen: Sein Bruder Albert besitzt in Barcelona gleich mehrere höchst nachgefragte Restaurants, wie etwa das „Tickets“. Selbst in Köln kocht mit Christiano Rienzner im „Pure White“ ein Ferran-Koch – und auch im „Compartir“ spielt der Bulli-Geist eine Rolle. Aber keine Angst, es wartet keine verkopfte Molekularküche, sondern es werden wenige Komponenten raffiniert kombiniert – und nur manchmal blinzelt molekularer Witz, etwa wenn eine „Olive“ künstlich nachgebildet wurde. Aber dafür unfassbar gut schmeckt.

Lassen Sie sich entführen zu einer unvergleichlichen Genussreise in zwölf Bildern:

Mozzarella: Schaumig geschlagen und mit „künstlicher“ Olive

Sardine: Mariniert mit Mandarinenschaum und Orange

Thunfisch: Der „Klassiker“ als Rolle mit Kapern und Rogen

Makrele: Mit Blumenkohl, Steinpilzen und eingedicktem Knoblauchöl

„Käse“: Besteht nur aus Mandeln. Plus Anchovis, Pinienhonig, Trüffelöl

Shrimps: Mit Kartoffelschaum, Wachteleiern, Bohnen, Erbsen und Senfkörnern

Stabmuschel: Mit Apfel, Fenchel und Nussbutter

Ei: Pochiert mit Räucherspeck und Parmesansauce

Jakobsmuscheln: Mit Kartoffelscheiben, Spinat, Geflügelfond

Entenbrust: Mit Zimtsauce, gegrillten Erdbeeren, Minze, Sauerrahm

Himbeeren: Als Eis und als Crumble

Schoko: Traumhaft gefüllt – und es gab noch Meringue mit Kokos

Das macht doch Laune! Vor allem bei dem Preis, wie gesagt 70 Euro. Wie das geht, weiß ich nicht. Die Löhne können nicht hoch sein, aber niemand wirkt verbittert. Im Gegenteil: Es herrscht eine ungeheure Freundlichkeit in dem lichten Lokal, wo auf vielen Plätzen draußen und drinnen serviert wird.

Hier meine Geschichte von vor drei Jahren – und der Hinweis, dass zum „Compartir“ das Zwei-Sterne-Restaurant „Disfrutar“ in Barcelona gehört, das aber wochenlang ausgebucht ist.

So, das war meine kleine Reise nach Katalonien, wobei ich auch noch im „Yukai“ mit einer phantastischen Ceviche vom heimischen Fisch in Port de la Selva war. Ein Muss ist in dem Fischerdorf die „Peixateria Puigvert“, wo abends der tagsüber gefangene Fisch verkauft wird – und das zu Preisen und in einer Qualität, von der wir hier nur träumen können.

Beste Laune, bester St. Pierre: „Peixateria Puigvert“

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