Insulin: Die Dosis macht´s!

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Insulin: Die Dosis macht´s!

Wer seinen Insulin-Spiegel konstant hält, hält auch sein Gewicht konstant – beweist der renommierte Diabetologe Prof. Stephan Martin in einem hochaktuellen Buch

Fast hätten wir es vergessen: Es gibt neben der Covid-Seuche noch weitere gefährliche Krankheiten. Eine der größten Geiseln ist der Typ-2-Diabetes, unter dem allein in Deutschland schon über acht Millionen Menschen leiden. Interessanterweise haben die Lungenkrankheit und der „Zucker“ eine gemeinsame Wurzel: Beide sind Reaktionen auf unsere Lebensweise.

So ist Covid ganz stark auch eine Folge des immer stärkeren Eindringens des Menschen in die letzten unberührten Stellen der Erde, weshalb immer wieder tierische Viren auf den Menschen überspringen, sogenannte Zoonosen. Und der Typ-2-Diabetes ist eine direkte Folge unserer „modernen“ Lebensweise aus zu wenig Bewegung und zu vielen schnellen Kohlenhydraten, weshalb ich gerne auch vom „Lifestyle-Diabetes“ spreche.

Fatalerweise befeuert nun die Covid-Epidemie auch noch die Explosion des Typ-2-Diabetes. Denn durch die vielen Auflagen verzichten immer mehr Menschen auf die lebensnotwendige Bewegung, bleiben zu Hause und futtern dort auch noch viel dick Machendes – und Übergewicht ist die Hauptursache für den Lifestyle-Diabetes. Genau zum richtigen Zeitpunkt erscheint deshalb das Buch „Wie Insulin uns alle dick oder schlank macht“.

Prof. Dr. med. Stephan Martin hat dieses höchst informative, umfangreiche und erfreulich leicht verständliche Werk geschrieben. Lesern meiner Bücher ist der Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums des Verbundes Katholischer Kliniken Düsseldorf wohl vertraut: Denn der zu den renommiertesten deutschen Diabetologen zählende Arzt hat das Vorwort geschrieben für meinen Bestseller „Fit wie ein Diabetiker“, wo ich einen medikamentenfreien Weg bei Typ-2-Diabetes beschreibe.

Es war kein Zufall, dass sich gerade Martin für diesen Weg begeisterte: Als einer der ersten machte der Arzt sich in vielen Publikationen und Vorträgen dafür stark, dass zu einer langfristig erfolgreichen Therapie des Typ-2-Diabetes neben der medikamentösen Behandlung auch die Eigenverantwortung des Patienten und eine Lebensumstellung gehört. Ein Ansatz, der auch mein Ansatz ist – und den Prof. Martin als meinen „Königsweg“ beschrieb.

Insulin ist für Prof. Martin der Schlüssel zu einem optimalen Körpergewicht und damit zu einer optimalen Gesundheit. Dieses Hormon, dessen Fehlen zu einem Typ-1-Diabetes führt, steht deshalb im Mittelpunkt des über 270 Seiten starken, gut gegliederten Buchs – wobei zwei Aspekte für mich besonders faszinierend sind: Die verheerenden Auswirkungen des Zuckers und die inflationäre Verschreibung von Insulin bei Typ-2-Diabetes in Deutschland.

Zucker gilt inzwischen als eine der wesentlichen Ursachen für die weltweit explosionsartig steigende Zahl an Menschen mit Typ-2-Diabetes – und das liegt an einem schlichten Mechanismus: Größere Süßmengen, etwa Cola trinken, führen zu einem starken Anstieg des Blutzuckers – und das wiederum führt zu einem starken Anstieg von Insulin mit einer verhängnisvollen Folge: Während das Insulin versucht, die Zuckerfluten zu bändigen, wird die Fettverbrennung gestoppt. Wird nun diese „Zucker-Insulin-Schaukel“ zu oft angeworfen, führt das zu einer deutlichen Gewichtszunahme – und eben auch zum Lifestyle-Diabetes. Nur wer es schafft, den Insulinspiegel konstant im Normbereich zu halten, der bleibt auf Dauer schlank. Es ist eben, wie so oft in der Medizin, alles eine Frage der Dosis.

Nicht immer bestimmten diese unumstößlichen Erkenntnisse das Handeln. Noch als ich vor rund 20 Jahren „Fit wie ein Diabetiker“ schrieb, glaubten viele Diabetologen, dass zu viele Kalorien eine wesentliche Ursache für den Typ-2-Diabetes sind, und sie empfahlen eine Kohlenhydrat reiche Ernährung, was inzwischen weitgehend korrigiert worden ist. Auch wurde Fett damals „zu Unrecht verteufelt“, so Prof. Martin, der inzwischen von einer „Fettlüge“ spricht.

Es ist das große Verdienst des aktuellen Buches von Professor Martin, dass er diese jahrelangen Irrwege seiner Zunft schonungslos benennt. Wobei das für viele Patienten, die sich pflichtgemäß an die mit großer Emphase vorgetragenen Empfehlungen gehalten haben, sicher eine schwere Kost ist. Wenn sie etwa erfahren, dass die lange als „guter Zucker“ gepriesene Fructose als gesüßter Fruchtsaft getrunken Leberschäden verursachen kann.

Wie ein Krimi lesen sich in diesem Kontext die Ausführungen ab Seite 114 des Buches, wo er den Einfluss der Zuckerindustrie auf Studien und die daraus resultierenden Ernährungsempfehlungen aufzeigt. Besonders eindrücklich gerät die Schilderung des Schicksals von John Yudkins, einem englischen Ernährungswissenschaftler: Er beschrieb schon 1969 „die Zusammenhänge von erhöhter Zuckeraufnahme, erhöhten Insulinspiegeln und Adipositas“.

Einen „Thriller“, so Martin, schrieb Yudkin dazu 1972: „Rein, weiß und tödlich: warum Zucker uns umbringt“. Trauriges Fazit des Buches, das laut Martin massiv von der Zuckerindustrie, aber auch von Ernährungsexperten bekämpft wurde: Die Menschen starben weiter an dem weißen Gift, aber der Ruf des englischen Wissenschaftlers war, so Martin, „auf immer und ewig ruiniert“.

Was heißt das für Covid? Warum ich das so ausführlich schildere? Aus zwei Gründen: Weil ich vor 20 Jahren auch unter den Attacken der hochrangigen „Experten“ (die ich noch alle kenne) zu leiden hatte, die nicht glauben wollten, dass Zucker eine wesentliche Diabetes-Ursache ist, wie ich in „Fit wie ein Diabetiker“ geschrieben habe. Zum anderen macht es mich nachdenklich, wenn ich im Kontext von Covid die scheinbar alternativlos richtigen Empfehlungen der Experten und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen lese. Was, wenn sich in einigen Jahren herausstellt, dass vieles vielleicht auch ganz anders war?

Aber zurück zum Diabetes und Martins Buch: Der Düsseldorfer Diabetologe präferiert beim Typ-2-Diabetes ganz klar eine präventive Behandlung mit zwei weitgehend nebenwirkungsfreien „Medikamenten“: Bewegung und eine abwechslungsreiche Ernährung mit möglichst wenig „schnellen“ Kohlenhydraten, wofür er eine Fülle von Beispielen und Rezepten nennt. Letztendlich läuft es auf die so wohl schmeckende wie gesunde Mittelmeerküche hinaus.

 „Unheilvolle Allianzen: Das Insulinkartell“

Ein Höhepunkt des Buches bildet die meisterhaft recherchierte Kritik an der besonders in Deutschland stark verbreiteten Praxis, sehr früh auch Typ-2-Diabetikern Insulin zu verschreiben, obwohl sie es noch gar nicht bräuchten. Im Gegensatz zu Typ-1-Diabetikern, für die das Hormon immer notwendig ist. So sind die entsprechenden Verordnungen in Deutschland pro Kopf der Bevölkerung doppelt so hoch wie in Frankreich – ohne dass bei uns die Stoffwechseleinstellung besser wäre.

 Neu ist diese Kritik nicht, schon 2013 schrieb der Münchner Ernährungsmediziner Prof. Hans Hauner in meinem Buch ZUCKER ZÄHMEN: „Mich ärgert in Deutschland die häufig frühe, übertriebene Insulinbehandlung bei Typ-2-Diabetes“ und als Ursache führte er an: „Für die Einleitung einer Insulintherapie wird der Arzt vergütet. Für die Erziehung zur Änderung des Lebensstils erhält er kein Honorar“. Auch Prof. Martin beklagte in einem Gespräch mit mir am 2. Mai 2017 „Warum lieben die Kassen Insulin?“ die frühe Insulinierung https://www.diabetes-online.de/laubers_kolumne/a/lauber-s-kolumne-warum-lieben-die-kassen-insulin-prof-martin-1820130

Provokant spricht Prof. Martin von einem „Insulinkartell“, einer „Pro-Insulin-Allianz aus Ärzten, Patienten, der Pharma-Industrie und den Krankenkassen“, wobei er die Rolle der Krankenkassen besonders negativ sieht. Denn sie haben mit dem Risiko-Struktur-Ausgleich (RSA) einen einträglichen Mechanismus geschaffen, der zu einer „inflationären“, so Martin, Verordnung von Insulin geführt hat – und führt.

Eine kluge Idee lag dem RSA zugrunde, der auch von dem aus Funk und Fernsehen bekannten Karl Lauterbach mitentwickelt wurde: Kassen, die Patienten mit hohen Risiken haben (etwa Diabetiker), bekommen mehr Geld aus dem RSA-Topf. Leider wurde dieser Ansatz so pervertiert, dass es sich für die Kassen „lohnt“, die Typ-2-Diabetiker an die Nadel zu bringen. Die Lektüre dieser atemberaubenden Analyse kann ich allen dringend ans Herz legen, die wissen wollen, wie geldgetrieben unser Gesundheitssystem auch tickt.

Präzise rechnet Dr. Martin vor, dass die Kassen an einem Insulin-pflichtigen Diabetiker rund 450 Euro verdienen. Ein „Anreizsystem“, das dazu führt, dass „finanziell gesehen die Beendigung einer Insulintherapie für die Kassen ein Verlustgeschäft ist“. Starke Worte, die noch dadurch dramatisch an Gewicht gewinnen, weil die frühe Insulintherapie bei Leuten, die an sich noch genügend von dem Hormon haben, tendenziell schädlich sein kann: So werden die Menschen von diesem Masthormon unweigerlich dick, müssen dann noch mehr spritzen, was dann laut Martin, auch Arteriosklerose, Herzinfarkte und Schlaganfälle begünstigen kann.

„Das System ist als Ganzes krank“, konstatiert Prof. Martin, und er weist darauf hin, dass es durchaus möglich ist, von dem Insulin wieder loszukommen, was er auch im großen Stil empfiehlt. Ob aber die „geköderten“ Patienten dazu Lust haben, glaube ich kaum – zu bequem ist die „Kuchenspritze“, auch wenn die Leute wissen, dass „die Insulintherapie für diese Menschen gefährlich und kontraproduktiv sein kann“. Sicher ist es für viele Ältere auch kaum möglich, einfach damit aufzuhören. Da braucht es schon begleitende Diabetes-Medikamente, von denen etliche sogar das Abnehmen begünstigen. Auch die Kartell-Teilnehmer Kassen und Pharmas werden von sich aus sicher nicht aus diesem lukrativen Geschäft aussteigen.

Eine Milliarde sparen! Gefahr droht dem Kartell meiner Meinung nach von einer ganz anderen Seite, nämlich Covid-19: Spätestens Mitte 2021 werden die Kassen merken, dass ihnen die Pandemie Milliardenverluste verursacht. Verluste, welche auch der Staat nicht mehr ausgleichen kann. Plötzlich wird dann Sparen ganz wichtig werden. Plötzlich könnten dann die Milliarden wichtig werden, die anfallen, weil rund 30 Prozent der Typ-2-Diabetiker bei uns Insulin spritzen. Und wieder rechnet Prof. Martin: Würde diese frühe Insulinierung bei uns etwa auf das Niveau von Frankreich gesenkt, „wäre schnell mehr als 1 Milliarde Euro im Gesundheitssystem eingespart“.

Klingt doch gut, Jens Spahn, übernehmen Sie!

Was fehlt in dem aufrüttelnden Buch? Zwei Dinge: Nährstoffe und Lauber. Irgendwie fremdelt die Schulmedizin mit der orthomolekularen Medizin. Nur, ohne die Nährstoffe lässt sich keine langfristig erfolgreiche Therapie implentieren, was in Martins Werk leider etwas zu kurz kommt. Für mein Buch ZUCKER ZÄHMEN hat der Arzt und Apotheker Dr. med. Siegfried Schlett von Chrom bis Vitamin D zwölf Diabetes-relevante Mineralien und Vitamine ausführlich beschrieben.

Lauber-Methode Ach, ja, natürlich hätte ich mich auch gefreut, wenn Teile der löblichen Zuschreibungen über mich von Prof. Martin, mit dem ich oft gemeinsam aufgetreten bin, in sein Buch eingeflossen wären: Wie etwa seine Sätze im November 2007 im „Diabetes-Forum“ des Kirchheim-Verlags: „In der Diabetes-Szene ist Hans Lauber inzwischen ein fester Begriff. Auch durch seine Beiratsmitgliedschaft in der Deutschen Diabetes-Stiftung und die von ihm initiierte Stiftung ´Chance bei Diabetes`. Das Buch ´Fit wie ein Diabetiker` und die dahinter stehende Lauber-Methode ist wichtig gerade auch für Ärzte und alle, die mit der Diabetologie zu tun haben“.

Einen „Paradigmenwechsel in der Diabetologie“ attestierte mir Prof. Martin mit meinem medikamentenfreien Weg.

Einen Paradigmenwechsel weg von der inflationären Insulin-Verschreibung bei Typ-2-Diabetes wünsche ich Prof. Martin mit seinem mutigen Buch!

„Wie uns Insulin alle dick oder schlank macht“. Prof. Stephan Martin unter Mitarbeit der Biologin Dr. rer. nat. Kerstin Kempf und Medizinjournalistin Julia Rommelfanger. 2020. Becker Joest Volk Verlag, 24,95 Euro

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