„maiBeck“: Denk-Fabrik
Auch in der Abholzeit setzt das Kölner Kultlokal Maßstäbe: Ein raffiniertes 4-Gang-Menü für appetitliche 49 Euro
Wer gut isst, der gut denkt. Warum das so ist, begründet der einflussreiche Essens-Kritiker Jakob Strobel y Serra in einen bemerkenswerten Essay in der FAZ vom 12. Februar 2021: „Es gibt unzweifelhaft einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Gesundheit unseres Gehirns und der Güte der Ernährung, denn das Gehirn ist zwingend auf einen konstanten Nachschub mit guten Nährstoffen angewiesen. Mangelernährung führt vor allem bei Heranwachsenden zu Konzentrationsschwächen, Hyperaktivität, Depressionen und Aggressionen.
Dennoch nimmt es die industrielle Landwirtschaft in Kauf, ihre Erträge mit Kunstdünger, Herbiziden oder Pestiziden ohne Rücksicht auf Verluste zu steigern. Dadurch gehen massiv Nährstoffe verloren, die das Gehirn dringend braucht, etwa Eisen oder Omega-3-Fettsäuren. Solche ungesättigten Fettsäuren mag die Lebensmittelindustrie gar nicht, weil sie zu empfindlich und leicht verderblich sind und deswegen in Tiefkühlpizzas oder Fertiggerichten nicht verarbeitet werden können“.
Raffinierte Heimatküche mit Rheinblick: „maiBeck“
Weise Worte, wie gemacht für das Kölner „maiBeck“, eines der wenigen Restaurants in einer Großstadt, das seine im Einklang mit der Natur arbeitenden Produzenten genau kennt – und eine raffinierte Spitzenküche zu gastfreundlichen Preisen serviert. Schon viele Male war ich in dem quirligen, äußerst beliebten von Jan Cornelius Maier und Tobias Becker (deshalb maiBeck) geführten Restaurant in der Kölner Altstadt mit direktem Blick zum Rhein, das es schafft, seine frischen Viktualien so zu kochen, dass sie einen hohen gesundheitlichen Nutzen entfalten. Klingt paradiesisch? Ist es auch – und schon vor vier Jahren habe ich dieses Juwel ausführlich beschrieben.
Genuss auch mit wenig Plastik: Vier-Gang-Menü
Berühmt ist das Lokal für sein viergängiges Menü zu 49 Euro – ein Preis, wo ich mich immer wundere, wie das zu schaffen ist. Auch beim Abholservice gibt es den Viergänger zu diesem Tarif – und alles ist wohlverpackt in einer großen Pappschachtel, so dass nichts verrutscht, und sich die Gerichte auch nach einer halbstündigen Fahrradfahrt tiptop präsentieren. Alles ruht weitgehend in Bambus- und Pappe-Behältern, sodass erfreulicherweise wenig Plastikabfall anfällt. Mit Weizenmehl und Hartweizengries selbst gebacken ist das wohl schmeckende, kompakte Brot, zu dem Salzbutter gereicht wird – ein guter Auftakt.
Land trifft Meer: Eifelrind und Garnele
Der erste Gang greift tief ins Aromenfüllhorn: Es lockt süß-saures Gemüse, etwa eine Senfgurke; es begeistern guter Rote Bete-Salat, eine schmackhafte grüne Soße. Fein gewolft und kräftig nach Fleisch schmeckend das Tatar vom freilandgehaltenen Rind aus Prüm, ein idyllischer Ort in der Eifel, nahe der Luxemburger Grenze. Ordentlich die Garnele aus dem Mittelmeer, vielleicht nicht ganz das ideale Produkt fürs Togo. Aber insgesamt ein schmackhaftes Gericht, vor allem auch wegen den angerösteten Nüssen. Wobei vielleicht weniger Komponenten einen größeren Effekt gehabt hätten. Aber die beiden sind Sterneköche – und die wollen es halt immer wissen.
Hinreißend: Tortelli mit Radicchio
Der zweite Gang ist für mich der Höhepunkt des Menüs: Selbst hergestellte, mit Ricotta und Nussbutter gefüllte Tortelli. Das ist Italianità in Bestform. Auch weil diese superbe Pasta wunderbar kombiniert wird mit knackig bitterem, in Rotwein geschmortem Radicchio. Ein feines Gericht, dem ein Schuss Heidelbeere den ultimativen Kick verleiht. Gekrönt wird das Ganze von einer süffigen Salsa aus gerösteten Cashews und Parmesan. Normalerweise hätte ich zu diesem hinreißenden Gang natürlich einen passenden Wein getrunken, kongenial empfohlen von Sascha Bauer, dem klugen Sommelier – und alles zu trinkfreudigen Tarifen. Aber ich blieb standhaft, gönne der Leber, wie immer zu Jahresanfang, eine knapp zweimonatige Auszeit.
Dreiklang: Kalbsschulter, Wirsing, Selleriepüree
Der dritte Gang präsentiert eine geschmorte Kalbsschulter aus dem Münsterland. Sie wird in der Bambusschale 15 Minuten bei 160 Grad im Ofen erhitzt, so dass auch noch der krönende rösche Schmelz aus Pilzen und Petersilie seine saftige Konsistenz behält. Ungemein zart und saftig ist das Fleisch, ein Gedicht, das wunderbar harmoniert mit dem Ragout von Wirsing und Wurzelgemüse. So macht sogar das von mir sonst nicht so geschätzte Togo-Essen Spaß, vor allem weil auch noch das Kartoffel-Selleriepüree exzellent gewürzt ist.
Nachhaltig: Das heiße Wasser, wo die Pasta drei Minuten lang kochen durfte, dient auch zur Erwärmung des Beutels mit dem Selleriepüree.
Mandelbisquit, Topfen, Baiser: Dessert
Ein kleines Dejavu zum ersten Gang: Irgendwie zu viele Komponenten auf dem Teller. Das Baiser als Rohmasse, der knackig-stückige Rhabarber, richtig wohl schmeckende Himbeere vom vergangenen Jahr. Das schmeckt herrlich süffig – und ist trotzdem viel zu süß. Aber gut, es sind bizarre Zeiten – und da kann ein wenig Seelennahrung nicht schaden.
Trotz dem zu süßen Schlenker: Das alles sind hochwertige, sanft zubereitete Produkte. Sie geben dem gierigen Gehirn genau die Nahrung, die es für kreative Leistungen braucht – und machen so das „maiBeck“ zur klugen Denk-Fabrik.
Fazit: Take-Away auf Spitzenniveau, das aber eine Sehnsucht weckt: Endlich wieder selbst im sympathischen Lokal sitzen!
Konzentrierte Kraft: Geklärter Hühnerfond
Einen hochgelobten Feinkost- und Weinladen haben die Macher in den letzten Monaten etabliert – und zwar mit vielen selbst erzeugten Delikatessen, die es in dieser Qualität selten gibt. Etwa eine süffige Hühnersuppe mit einer an selige Kinderzeiten erinnernden Einlage, einem Eierstich. Allein schon der geklärte Hühnerfond ist ein Kraftpaket. Begeistert genossen habe ich auch den geangelten Wolfsbarsch aus Holland, eingelegt in Cashewöl – dafür bezahle ich freudig die gewünschten 12 Euro. Ja, irgendwann probiere ich auch die saftige Mandeltarte, bei der Essenskritiker Carsten Henn in Jubelschreie ausbricht.
Wie es aussieht, bleibt dieser Delikatessenshop – wenigstens ein bereichernder Effekt der lähmenden Lockdowns!
Ungemein vielseitig und neugierig sind Jan und Tobias – und ich erinnere mich an einen ganz besonderen Abend vor zwei Jahren, wo die beiden in einem Schrebergarten aufkochten und wo die sonst als abgehoben verteufelte Sterneküche plötzlich das Bodenständigste der Welt war.
„maiBeck“
Adresse: Am Frankenturm 5, 50677 Köln
Öffnungszeiten: Nur Abholung, kein Lieferservice. Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr
Kontakt: 0221/96267300 www.maibeck.de