„Engel“: Bodenständig

„Engel“: Bodenständig 2560 1713

„Engel“: Bodenständig

Im über 200 Jahre alten Lörracher Traditionsgasthaus kocht Klaus-Peter Jochum eine geerdete badische Landküche. Ein starkes Stück Wirtshauskultur

Ja, es gibt sie noch, die Geheimtipps. Ein ganz besonders lohnender ist der „Engel“ in meiner Heimatstadt Lörrach. Seit 1794 existiert dieses Gasthaus – und seit vielen Generationen ist es im Familienbesitz. Im erstaunlich gut erhaltenen, fast dörflichen Kern von Tumringen, das seit 1935 zu Lörrach gehört, liegt diese bodenständige Wirtschaft. Zusammen mit seiner Frau Eva wirtet hier seit 1996 Klaus-Peter Jochum und beide servieren das, was angeblich alle suchen – und was so selten zu finden ist: Eine grundsolide deutsche Küche.

 

 Bewirtet seit 1794 seine Gäste: „Engel“ in Tumringen

Urig und schön sind die beiden gastlichen Stuben, wo viel Holz und alte Stiche mit heimatlichen Motiven für eine gemütliche Atmosphäre sorgen. Ein herzlicher Eindruck, der noch verstärkt wird durch den angenehm zurückhaltenden und gleichzeitig wunderbar aufmerksamen Service von Eva Jochum, die mich auch deshalb erfreut, weil sie das Pils von der örtlichen Brauerei Lasser perfekt zapft. Eine Wirtin, die das verkörpert, was vor allem die vielen Stammgäste schätzen: Die Seele des Gasthauses.

Gasthäuser mit Seele und manchmal knorrigen Wirtsleuten gab es noch bis in die 70er Jahre viele in Lörrach: Etwa der legendäre „Sternen“ in Stetten; der gediegene „Hirschen“ in der Stadtmitte; natürlich auch „Storchen“, „Linde“, „Schlüssel“, „Adler“ und „Schäfle“. Die meisten gibt es nicht mehr, sind dem Brandschutz zum Opfer gefallen oder wurden umgewandelt zu Italienern, Griechen, Türken und Chinesen. Nichts dagegen, aber es ist schon seltsam, wie leichtfertig gerade die Deutschen ihre traditionelle Küche im Stich lassen. Völlig undenkbar ist so etwas in Italien, wo ich kürzlich im Veneto auf eine erstaunlich lebendige überlieferte Küchenkultur gestoßen bin.

 Beherrscht das Küchenhandwerk aus dem Effeff: Klaus-Peter Jochum

Funktionieren kann so eine gut-bürgerliche Küche nur mit Köchen, die ihr Handwerk perfekt beherrschen und es mit Leidenschaft leben – so wie Klaus-Peter Jochum. Von der Pike auf gelernt hat der 61-jährige Koch sein Handwerk, machte seine Lehre in der damals renommierten „Weserei“ in Kandern. Er lernte aber auch als einer der Küchenchefs der Basler Messe für große Gruppen zu kochen, lernte zu organisieren. Ein Talent, das ihm jetzt zugute kommt, denn er steht allein in seiner kleinen Küche – und bei ihm sitzt jeder Handgriff.

Virtuos gelingt es ihm, die Teller auch bei einer guten Auslastung des Lokals so zu schicken, dass alle Gäste zufrieden sind. Sogar wenn jemand wie ich ihm während des Kochens neugierige Fragen stellt, bringt ihn das mit seinem verschmitzten Humor nicht aus der Ruhe. So viel Einsatz kostet Kraft und vor drei Jahren gab es größere gesundheitliche Probleme, sodass die Gaststätte eine Zeitlang geschlossen war – und viele Lörracher glauben, den „Engel“ gäbe es gar nicht mehr. Dem ist nicht so, das Traditionsgasthaus lebt und ist einer der letzten Vertreter des einheimischen Wirtshauses.

Lohnt allein den Weg: Kalbskopf und Zunge

Zwei Mal bin ich in den letzten Wochen ins beschauliche Tumringen zu Klaus-Peter Jochum gepilgert – und habe mich von der ganzen Bandbreite seiner Küchenkunst überzeugen lassen: Da gibt es auf der fast zu großen Karte Rinderkraftbrühe mit Flädli für 6 Euro. Da locken Wurstsalat und Buurewürstli für 9 Euro. Das Cordon Bleu gibt es vom Schwein für 22,50 und vom Kalb für 27,50 jeweils mit Pommes und Salat. Auch leicht Französisches (das Elsass ist nah) steht der Karte als Geschnetzeltes Schweinefleisch an Meauxsenfsauce (grob geschrotete Senfkörner) mit Spätzle für 19,80.

Richtig begeistert hat mich ein Gericht, das ganz selten zu finden ist: Kalbskopf und Zunge mit feiner Rösti für 22,50 Euro. Zart der Kalbskopf mit seiner Gelatine in einer dichten, trotzdem leichten Sauce. Die Oliven, die Gurke geben einen frischen Kick – und die knusprige Rösti ist Küchenhandwerk in Vollendung.

Ein kräftiger Rotwein würde gut passen – und die Karte hält auch Ordentliches von den regionalen Winzergenossenschaften im Offenausschank bereit. Flaschenweine rentieren nicht, heißt es dazu. Schade, dabei keltert keine drei Kilometer vom „Engel“ entfernt Karlheinz Ruser in Lörrach-Tüllingen wunderbare Spätburgunder zu höchst zivilen Preisen.

Hochamt für Fleischfreunde: Schlachtplatte

Schon als Kind habe ich sie geliebt und freue mich immer noch auf die „Metzgete“, also  Fleisch und Wurst vom frisch geschlachteten Schwein, die es immer nur wenige Tage im Jahr gibt. Ich starte mit einer 5,50 Euro kostenden Metzelsuppe, also dem leicht fetten Konzentrat, das beim Wursten übrig bleibt. Angereichert ist die Brühe mit kleinen Brotscheiben und leicht trockenem Fleisch. Wer die volle Dröhnung mag, bestellt wie ich die Schlachtplatte für 24,50 Euro. Saftig das vom Koch selbst bereitete Kesselfleisch. Ein Gedicht vor allem die perfekt gewürzte Bratwurst, die Blut- und Leberwürste, wobei die Würste von der nahen Landmetzgerei Bachmann stammen, wo wir früher auch immer eingekauft haben. Eine Klasse für sich das schlotzige Sauerkraut, dessen genaues Rezept mir der Koch nicht verraten will. Ich vermute, es ist im Schweineschmalz gedämpft.

Gut besucht ist das Gasthaus – und es sind erfreulich viel junge Leute dabei. Mich, der in Köln wohnt, überrascht das nicht, da in den Großstädten die Jugend längst die alten Gasthäuser entdeckt hat – und sie förmlich stürmt. Instinktiv scheint die kommende Generation zu spüren, wie gerade in trubeligen Zeiten diese Leuchttürme der traditionellen Gastronomie einem Halt und Orientierung geben. Deshalb lautet mein

Fazit: Gäb´s mehr „Engel“, ging´s der Welt besser. Also: Hingehen!

„Engel“

Adresse: Luckestraße 13, 79 539 Tumringen 

Öffnungszeiten: Donnerstag bis Montag ab 17 Uhr 30. Sonntag auch ab 11 Uhr 30. Dienstag und Mittwoch ist zu.

Kontakt: 07621/44 723  http://www.engel-loerrach.de

So geht gemütlich: Gastraum

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