„Genuss-Apotheke“: Natur-Medizin!

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„Genuss-Apotheke“: Natur-Medizin!

Das Echt Essen-Spezial im April: Raimar Pilz kocht in Bad Säckingen vital-aromatisch mit eigenen Kräutern. Er ist ein „Gartenkoch“ meiner TDM Traditionelle Deutsche Medizin.

 

Gärten begleiten Raimar Pilz: Als ich den sympathischen Koch erstmals vor bald 15 Jahren auf dem Darß an der Ostsee besuche, lockt neben dem Restaurant ein großer Kräutergarten. Bald danach zieht es ihn in meine süddeutsche Heimat nach Bad Säckingen. Dort begeistert er im Traditionsgasthaus Fuchshöhle als einer der Ersten mit einer subtilen Blumenküche – und hegt bei der Münsterkirche ein verschwiegenes Gärtlein. Inzwischen kocht er in seiner „Genuss-Apotheke“ – und pflegt mit seiner Schwiegermutter im nahen Hotzenwald einen Garten mit einer einzigartigen Auswahl von rund 100 Kräutern, von Alraune bis Ysop, die er einmal für mich fein säuberlich mit Bleistift notierte.

Lichtdurchflutet und elegant: Gastraum  der „Genuss-Apotheke“

 

Meine erste „Echt Essen-Geschichte“ habe ich vor über zehn Jahren über seine Aromaküche geschrieben. Seitdem war ich häufig bei ihm zu Gast, weil es ihm gelingt, möglichst viel aus der umgebenden Natur zu verwenden, sei es selbst gesammelt, sei es extra für seine Küche angebaut. Aber er ist kein Dogmatiker, Fleisch und Fisch gehören für ihn unabdingbar zu den Gerichten – wobei auf Wunsch natürlich vegetarisch gekocht wird, aber nicht vegan. Gut so, schließlich gehören Proteine von ordentlich gehaltenen Tieren, von wild gefangenen Fischen zu der so gerne empfohlenen „ausgewogenen Ernährung“, vor allem für Ältere.

Dezent-elegant umgebaut ist die ehemalige Apotheke am Schlosspark. Es gibt lediglich sieben Tische – und eine Augenweide ist die offen einsehbare Kochinsel, die sich auch hervorragend für die beliebten Kochkurse eignet. Ich sitze direkt neben der Küche – und bewundere wie Pilz und „Jule“, mit der er schon 17 Jahre zusammen arbeitet, extrem konzentriert für die rund 20 Gäste kochen – ohne dass sie viele Worte wechseln müssen, non verbale Kommunikation auf höchstem Niveau.

Liebt Süß- und Salzwasser: Meerforelle

 

Drei Gänge bestelle ich, was rund 45 Euro kostet. Es startet mit Butter, die mit Bärlauch, Wilde Möhre und Vogelmiere herzhaft aromatisiert ist, und einem ausgezeichneten Bauernbrot vom heimischen Bäcker.

Ein Gedicht der erste Gang, eine Meerforelle aus isländischen Gewässern, die sowohl im Meer wie auch im Süßwasser schwimmt. Der in Kamillesud Sous Vide saftig gegarte Fisch ruht auf einem dünn gehobelten Bett von süß-sauer mariniertem gelben Rettich, begleitet von Confits aus milder Zwiebel und gelber Bete. Herrlich schmecken diese „Tupfer“, und ich finde es immer ein wenig schade, wie schnell sie verputzt sind. Aber würden sie fehlen, geriete wohl das Gericht aus der Balance. Fein die kross gebratene Haut und die geschmackstarken, sanft eingelegten Zwiebeln, die das Ganze krönen. Unter den Kräutern begeistert mich das fleischige Austernkraut, das tatsächlich nach der Meeresfrucht schmeckt.

Viele Elemente auf dem Teller, die kongenial amalgiert werden von einem Pfälzer Sauvignon Blanc von Emil Bauer. An sich mag ich diese Sorte nicht so sehr, aber hier passt sie punktgenau. Zur Sommeliere hat sich Annett Ronneberger, Frau von Raimar Pilz, in der Schweiz ausbilden lassen – und auf ihre Empfehlungen ist Verlass.

Omega 3, vitalisiert mit Frühlingskräutern: Makrele

 

Liebenswürdig souverän der von Frau Ronneberger geleitete Zwei-Personen-Service. Raffiniert spielerisch der zweite Gang: Die kräftige und mit ihren Herz-vitalen Omega-3-Fetten so gesunde Makrele – vorne als saftig gebratene Variante aus der Ostsee. Hinten als die in der japanischen Küche so geschätzte Gelbflossenmakrele, die Hamachi heißt. Interessant: Sie stammt aus einer Aquakultur in Trier. Natürlich mag ich es lieber wild, aber wenn wir die Meere weiter so verseuchen, dann wird die Zucht immer mehr zur realistischen Alternative.

Löffelweise essen könnte ich das Confit von weißen Bohnen, eine großartige Aromakraft. Nicht unbedingt gebraucht hätte ich das dehydrierte Wurzelgemüse. Zum deftigen Fisch passen der junge wilde Kohl, die intensiven Kräuter Gänsefingerkraut und vor allem der fordernde Gundermann vorne rechts.

Ein Gang, der die Philosophie des Hauses souverän demonstriert: Genussvoll kochen – und die daraus resultierende Gesundheit als willkommene, aber nicht groß propagierte „Nebenwirkung“ zu goutieren.

Das Auge isst mit: Reh, Sanddorn, Blaukraut

 

Mehr als eine Redewendung. Aber wenn ich mir die Essensfotos anschaue, die ich bei Raimar Pilz gemacht habe, fällt die hohe ästhetische Qualität auf – ohne dass das Ganze in sinnfreie „Bastelei“ ausartet. Jedenfalls machen diese stimmigen Inszenierungen immer Lust auf die Speisen.

Aus den umliegenden Wäldern stammt das Reh. Was links violett schimmert, ist konzentriertes und dehydriertes Blaukraut, wobei hier der Wasserentzug Sinn macht, denn der Trick gibt einen schönen Frischekick. Das rechte Stück hat er mit „Löwenzahnteer“ aus Schweden aromatisiert – was nichts anderes als ein feines Konzentrat der leicht bitteren Wurzel ist. Dazu der konzentrierte Saft des Blaukrauts, plus der sanft herbe gelbe Sanddorn – Wild, wie bringen dich doch wenige klug platzierte Elemente besser zur Geltung!

Gut könnte ich mir vorstellen, dass Raimar Pilz, der Wild perfekt „aufbrechen“ kann, dereinst einmal selbst Jäger wird – den entsprechenden Hund hat er schließlich schon!

Klein und fein mit ausgesuchten Tropfen ist die Weinkarte – und Annett Ronneberger verwendet ein originelles Ordnungsprinzip, nämlich nach Sorten, wie etwa ein schöner Gutedel vom Ökoweingut Zähringer. Erfreulich: Der Markgräfler Geheimtipp Karlheinz Ruser aus Lörrach ist gelistet, etwa mit seinen ausgezeichneten Grau- und Spätburgundern. Zum Reh empfiehlt sie mir aber einen leichten und fruchtigen Spätburgunder vom Kaiserstühler Weingut Kalkbödele für 7,50 Euro das 0,1 Liter-Glas. Passt, wackelt nicht – und lässt dem Wild Luft zum Atmen.

Steht ihm gut, der „Hut“: Raimar Pilz

 

Auch nach einer anstrengenden Arbeit am Mittag – und vor einer noch anstrengenderen am Abend steht der grundgeerdete Koch locker entspannt in seiner Küche. Es ist wohl die entspannte Atmosphäre in diesem gastlichen Haus, es ist wohl die schöne Umgebung mit dem nur wenige Schritte entfernten Schlossgarten, die dem passionierten Eiskletterer die Spannkraft für seine konzentrierten Auftritte gibt.

Schulspeisung Besonders erfreulich finde ich, dass auch der gemeinsame Sohn Arne in der mittäglichen Schulpause sich nicht mit dem schlappen Schulessen zufrieden geben muss. Sondern mit ein, zwei Freunden inmitten der anderen Gäste einen Lunch aufs Haus bekommt. Wobei drei Bedingungen gelten: Kein Handy, ordentliche Tischmanieren und sich höflich verabschieden. Als ich da war, hat alles perfekt geklappt – die Kids räumten wie in einer einstudierten Choreografie hintereinander brav ihre Teller ab. Gute Idee, gute Investition: So entstehen die Feinschmecker von morgen.

Unbedingt reservieren! Nicht nur einfach waren die Anfänge der Genuss-Apotheke. Genuss und Gesundheit, das ist vielen immer noch suspekt – auch wenn die richtige Ernährung die wichtigste Quelle eines vitalen Lebens ist. Doch irgendwann kam der begehrte Michelin-Stern, häuften sich die Auszeichnungen – und dann entdeckten die klugen Schweizer das Restaurant. Seitdem ist das in der Nähe der prächtigen hölzernen Rheinbrücke liegende Gasthaus am Abend auf Wochen ausgebucht, vor allem von Donnerstag bis Samstag – und zu über 90 Prozent von Schweizer Stammgästen, die auch von Ferne gerne anreisen. Selbst mittags ist es oft voll, es empfiehlt sich also unbedingt eine Reservation.

Entspannter ist die Buchungslage im heißen Sommer, weil es praktisch keine Außengastronomie gibt. Aber so wie es aussieht, wird sich das ändern – und Annett Ronneberger und Raimar Pilz haben auch schon konkrete Pläne – und vielleicht sind sie im nächsten Jahr schon Wirklichkeit.

Fazit: Wer Vitalität in vollen Zügen genießen will, fährt nach Bad Säckingen – und das nicht nur einmal!

„Genuss-Apotheke“

Adresse: Schönaugasse 11, 79 713 Bad Säckingen

Öffnungszeiten: Sonntag und Montag ist zu. Ansonsten mittags UND abends geöffnet. Der Zug verkehrt regelmäßig von Basel und von Waldshut – und vom Bahnhof sind es gerade einmal zehn Minuten zu Fuß.

Kontakt: 07761/9 333 767

www.genuss-apotheke.de

Warum „Gartenköche“ Teil unserer Traditionsmedizin sind

„Einen Systemwechsel im Gesundheitssystem brauchen wir“, fordert der renommierte Münchner Arzt Prof. Dr. Rüdiger Landgraf in meinem Buch ´Zucker zähmen`: „Heute lohnt es sich trauriger weise eher, die Menschen als Kranke zu behandeln, statt sie gesund zu erhalten. Wir haben eben prinzipiell ein Krankheits- und kein Gesundheitssystem“.

Einen Systemwechsel kann ich nicht in Gang setzen. Aber ich habe für mein Buch „TDM Traditionelle Deutsche Medizin“ wichtige Komponenten zusammen getragen, die eine präventive Gesundheit ausmachen. An erster Stelle steht die Naturheilkunde, die nach dem Prinzip Nahrung ist Medizin arbeitet – und dazu gehören ganz stark die in TDM ausführlich vorgestellten, völlig unterschätzten Wildkräuter, gehört vitales Streuobst, gehören aber auch heimische Heilpilze. Es zählen aber auch Köche dazu, die eigene Gärten mit ausgefallenen Kräutern, alten Gemüsesorten und seltenen Beeren haben.

Acht dieser Zukunftsköche, etwa Raimar Pilz, den aus dem Watt kochenden Sylter Johannes King und den Kräuterpapst Alfons Breier aus dem Oderbruch, habe ich in dem Buch auf den Seiten 46 und 47 vorgestellt. Solche Gärten garantieren eine optimale Frische, eine kluge Saisonalität – und damit eine subtile, präventive Gesundküche.

Sicher, nur ein zarter Beginn. Gäbe es aber erst einmal 80 oder gar 800 solcher Wirte, dann könnte langfristig wirklich ein Systemwechsel gelingen – und sogar einer, der freudig akzeptiert würde, weil er das verspricht, was die Menschen lieben: Kulinarischer Genuss!

TDM – Traditionelle Deutsche Medizin

TDM Traditionelle Deutsche Medizin stellt 30 heimische und selbst nutzbare Heilpflanzen sowie 66 Gärten der Gesundheit vor. Natürlich führt auch die Genuss-Apotheke das Buch.
Hans Lauber; 1. Auflage 2018; 160 Seiten; 19,90 €; Kirchheim-Verlag, Mainz

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