Lockdown-Lovers

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Lockdown-Lovers

Obwohl die Lockdown-Schäden immer gravierender werden, regt sich kaum Widerstand. Ein Psychologe weiß warum.

Als „mittelalterliche Methode“ kritisiert am 9. März 2021 die FAZ die unendlichen Schließungen – und das im Kontext eines Kommentars, der zeigt, wie asiatische Länder die Pandemie weitgehend ohne Lockdowns in den Griff bekommen haben. Auch der kluge Politiker Gerhart Baum wundert sich am 9. März 2021 im Kölner Stadtanzeiger „warum die Politik der frustrierten Öffentlichkeit nicht ausreichend vermittelt, warum sie gewisse Prioritäten setzt“, etwa „strikt auf Begegnungsverbote setzen“ – und kommt zu dem Schluss: „Ich habe meine Zweifel, ob man so weit gehen muss“.

Aber alle Kritik, alle Zweifel weist die Politik zurück – und zwar aus folgendem Grund: So wie über Jahrhunderte die Theologen letzte Wahrheiten verkündeten, so ist nun an deren Stelle die Ärzteschaft getreten – eine Entwicklung, die Franz Kafka bereits 1917 in seiner Erzählung „Ein Landarzt“ geahnt hatte: „Den alten Glauben haben die Dorfbewohner verloren; der Pfarrer sitzt zu Hause und zerzupft die Messgewänder, aber der Arzt soll alles leisten“.

Eine quasi göttliche Autorität wird den Ärzten zugebilligt – eine Autorität, von der in der aktuellen Pandemie gerade die Virologen reichlich Gebrauch machen. Dass die Betrachtung der Welt allein aus der ärztlichen Brille aber ihre Limitationen hat, befürchtet der Philosoph Markus Gabriel, weshalb er im Kölner Stadtanzeiger vom 3. März 2021 fordert: „Ich glaube, man muss den Medizinern die Modellhoheit entziehen. Sie können aus ihrer Expertise nichts zu den demokratischen und sozialen Kosten etwa eines Konzeptes sagen, das die Inzidenzen unter zehn bringen will“ – und er fragt: „Wollen wir der nächsten Welle ernsthaft mit einem viermonatigen Lockdown begegnen? Das wäre dann schon Staatsversagen“.

STAATSVERSAGEN – was für ein gewaltiger Vorwurf des einflussreichen Philosophen. Spätestens jetzt müssten in der Bevölkerung alle Alarmglocken klingen; spätestens jetzt müssten sich heftige Formen des Widerstands artikulieren, müssten Teile der Bevölkerung auf die Barrikaden gehen.

Müssten, tun sie aber nicht – und warum das so ist, weiß der Psychiater Stephan Grünewald, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts „rheingold“. Im Kölner Stadtanzeiger vom 3. März 2021 analysiert er die Gründe für die „Glorifizierung des Aussitzens, Abwartens und Nichtstun“. So stellt er fest, dass viele „die Stilllegung als entschleunigte Zeit erleben und sich in einem kleinen Corona-Biedermeier-Lebenskreis komfortabel eingerichtet haben. Letztere haben mitunter gar kein Interesse an einer aktiven Öffnung, denn der Lockdown entbindet sie von vielen Zumutungen des modernen Lebens. Weniger Kontakte, weniger Verpflichtungen bedeuten für sie auch weniger Befremden, weniger Entwicklungsnotwendigkeit und mehr legitimierte Selbstbezüglichkeit“.

Eine neue Innerlichkeit greift also um sich und befördert, so Grünewald, „fundamentalistische Erlösungs-Ansprüche à la Zero Covid“. So sagte ein Proband im Tiefeninterview: „Ich starte das Leben erst wieder, wenn das Virus eliminiert ist“. Da das Virus aber noch lange da sein wird, „zementiert dieser Absolutheitsanspruch eine abwartend-fatalistische Haltung, die eine aktive und kontrollierte Öffnung an eine kaum einlösbare Bedingung knüpft“, befürchtet der Psychologe.

Setzen sich diese Lockdown-Liebhaber durch, wird Corona vielleicht in ferner Zukunft besiegt sein – das Land allerdings in Trümmern liegen. Chirurgen haben für dieses fatale Phänomen eine flapsige Metapher geprägt: „Operation gelungen, Patient tot“.

Wie´s weitergeht, weiß niemand: Lockdown-Fatalismus

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