„Adler“: Im Aufwind

„Adler“: Im Aufwind 2560 1823

„Adler“: Im Aufwind

 

Endlich hat der einzigartige schwäbische Landgasthof wieder geöffnet. Die Familie Vogel bewahrt die Tradition – und setzt eigene Akzente

Viele Dutzend Male bin ich in den zwischen Ellwangen und Schwäbisch Hall gelegenen „Adler“ gefahren, ja gepilgert. Drei Elemente machten das sattgrün gestrichene Anwesen aus dem Jahr 1717 für lange Zeit zum besten deutschen Landgasthof: Eine Architektur, die geschickt Bauhaus und überlieferte Gasthauskultur vermählt; eine bodenständig-raffinierte Küche; eine großartige Gastlichkeit durch den Koch Josef Bauer, seine Frau Marie-Luise als Gastgeberin und nicht zu vergessen die wunderbare Bedienung Hildegard Brenner. Ein Schock war es deshalb für mich und die vielen Stammgäste, als die Wirtsleute vor sechs Jahren das Gasthaus altershalber schließen mussten. Wer noch einmal in der Vergangenheit schwelgen möchte, lese meine über zwölf Jahre alte Geschichte.

Eine feste Burg: Landgasthof „Adler“

Große Fußstapfen haben die Bauers hinterlassen – und es ist ein wunderbares kulinarisches Glück, dass die beiden würdige Nachfolger gefunden haben: Der aus der Gegend stammende Koch Michael Vogel und seine aus dem Allgäu kommende Frau Michaela sind seit dem Frühjahr 2022 die neuen Pächter. Idealer hätte es nicht laufen können, denn der 30-jährige Koch arbeitete zwei Jahre bei Josef Bauer, lernte seine Philosophie kennen, bevor er die letzten drei Jahre bei einem der besten Köche Europas, Andreas Caminada, leitende Positionen bekleidete. Letztes Jahr besuchte ich „Schloss Schauenstein“ und war begeistert von einer Küche, die es schafft, mit weitgehend einheimischen Produkten die ganz große kulinarische Oper aufzuführen. Eine gute Vorbereitung für das Führen eines schwäbischen Landgasthauses.

Gottseidank ist alles geblieben: Gaststube mit Herrgottswinkel

Hoch also die Erwartungen bei meinem ersten Besuch mit dem Stuttgarter Freund, der mich viele Male in die abgeschiedene Ostalb begleitet hatte – und erleichterte Entspannung: Alles ist noch, wie es war: Die steile knarzende Treppe, die Bauhausmöbel, die weiß lackierten Tische – und vor allem die ungemein herzliche Begrüßung durch Michaela Vogel, die den Service leitet. Es ist wohltuend in diesen hektischen Zeiten, wenn Altvertrautes altvertraut bleiben darf, was aber nur deshalb funktioniert, weil der von den Bauers vor Jahrzehnten zusammen mit einem Designprofessor entwickelte Stil eine zeitlose Eleganz besitzt.

 

Dreiklang: Rote Bete, Kabeljau, Ziegenkäse

Wie gehabt starten wir mit einem bestens gezapften, hervorragenden Pils von der über 330 Jahre alten Privatbrauerei „Rotochsen“ aus Ellwangen. Angemessene 80 Euro kostet das viergängige Überraschungsmenü, das mit einem Bauer-Klassiker startet: Der legendäre Zwiebelkuchen mit einer ausgewogenen Mischung aus Zwiebeln und Emmentaler hat Suchtpotential. Leicht und elegant das Rote Beete-Carpaccio mit frischen Kräutern, feinem Ziegenkäse und einem Stück Kabeljau, das wir nicht unbedingt gebraucht hätten. Auch ein Bauer-Klassiker ist das danach servierte Lachsflädle in schlotziger Soße. Wobei ich nicht sicher bin, ob Josef Bauer heute noch mit Lachs arbeiten würde. Von der im Aufbau begriffenen kleinen, feinen Weinkarte begeistert uns ein 2019er Chardonnay für 70 Euro vom Traditionsweingut Dautel, der trotz schlanken 12,5 Prozent Alkohol es locker mit der Tiefe eines großen „Franzosen“ aufnimmt.

 

Aus eigener Jagd: Rücken und Ragout vom Reh

Der Höhepunkt des Menüs ist der Hauptgang: Ein auf den perfekten Punkt gebratener Rehrücken und ein wirklich saftiges Ragout mit einem intensiven dunklen Tupfer vom schwarzen Knoblauch und einem hellen von der Karotte. Eine eigene Jagd in der Nähe hat Michael Vogel zusammen mit seinem Vater – und so dürfen sich die Gäste auf interessante Wildspezialitäten freuen. Weil wir nichts Süßes wollten, machte Michaela Vogel einen spannenden Vorschlag: Süffig zubereitete Champagnerkutteln mit Morcheln und Aal als „Dessert“. Ich liebe solche Deftigkeiten, die es leider immer seltener gibt, wobei eine Zwiebel bei der Verdauung hilft – genau so wie übrigens der exzellente, selbst gebrannte Gin mit schwäbischem Wacholder von Josef Bauer, von dem ich mir gleich eine Flasche gekauft habe.

 

Sympathische Wirtsleute: Michaela und Michael Vogel

Eine eigene Jagd hat Michael Vogel bereits. Meiner Meinung darf es nicht das einzige „Eigene“ bleiben. Denn die Erwartungen der Gäste haben sich geändert. So ist Josef Bauer regelmäßig in aller Herrgottsfrüh zum Großmarkt in Stuttgart gefahren. Aber künftig wollen die Leute auch das Land schmecken, wollen Gemüse, Kräuter und Fleisch aus der Umgebung genießen. Vorbildlich gelingt das Andreas Caminada sogar in einem kargen Teil der Schweiz. Aber auch Mario Furlanello aus dem „Bornheimer Ratskeller“ mitten in Frankfurt hat sich in der weiteren Umgebung einen Kreis von Produzenten und Lieferanten aufgebaut, die er alle persönlich kennt. So etwas dauert, aber es ist möglich. Denkbar wäre auch ein kleiner Gemüseanbau – und mit Hilfe der Permakultur gelingt das sogar im rauen Klima der Alb.

Keine Projekte für die nächste Zeit sind das natürlich. Erst müssen die grundsympathischen Wirtsleute das wirtschaftliche Fundament festigen. Aber langfristig sollte so etwas entstehen – wobei die Jagd schon jetzt eine hervorragende Grundlage ist.

Fazit: Ein gelungener Start, der hoffen lässt, dass der „Adler“ in angemessener Zeit wieder die alte Flughöhe erreicht.

Landgasthof Adler

Adresse: Ellwanger Straße 15, 73 494 Rosenberg

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 12 bis 14 und 18 bis 22 Uhr. Sonntag 12 bis 14 Uhr. Zweckmäßige Zimmer mit liebevoll am Tisch serviertem Frühstück zu fairen Preisen.

Kontakt: 07967/513  https://landgasthofadler.de/

Tipp: Leider umgeben in Rosenberg viele tote „Steingärten“ die fast schon zu wohl gepflegten Einfamilienhäuser. Ein Lichtblick ist da der in Ortsmitte liegende, liebevoll angelegte Rosengarten mit vielen alten Sorten.

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