Gasthaus Hellerau: Bodenständig
In der einzigartigen Dresdner Gartenstadt servieren Monika und Volker Illers eine grundsolide Küche mit üppigen Portionen
Bald 120 Jahre alt ist die Gartenstadt Hellerau im Norden von Dresden – und dennoch ist die Siedlung bis heute Vorbild für einen menschenfreundlichen Siedlungsbau. Die Idee für Hellerau stammt von Karl Schmidt, dem Begründer der „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“, eine Firma, die auf von renommierten Designern entworfene Möbel spezialisiert war, und die bis heute besteht. Den Masterplan mit klar abgegrenzten verschiedenen Wohnformen und geschwungenen Straßenzügen entwickelte der Architekt Richard Riemerschmid, der auch die markanten Gebäude der Werkstätten entwarf. Andere renommierte Architekten wie Heinrich Tessenow konzipierten weitere Gebäude, etwa das großzügige Festspielhaus, das bis heute auf Besucher wartet.
Üppiges Grün statt toter „Steingärten“: Dorffrieden
Stundenlang wandere ich durch Hellerau und staune, wie die unterschiedlichen Wohnformen und die unterschiedlichen Architekten eine abwechslungsreiche Atmosphäre geschaffen haben – und das Ganze trotzdem eine Einheit bildet. Bewundernswert auch das viele Grün – und ich sehe keinen einzigen der heute so beliebten, toten „Steingärten“ ohne Pflanzen. Für mich ist Hellerau die Blaupause eines Siedlungsbaus in Zeiten der Klimaerwärmung – und ein Masterplan für durchlüftete Wohnformen, die als Prävention gegen künftige Pandemien gebraucht werden.
Ort der Design-Geschichte: Deutsche Werkstätten
UNESCO Weltkulturerbe für Hellerau! Um diesen prestigeträchtigen Titel kämpft eine Bürgerinitiative. Das wäre höchst verdient für dieses ökologisch vorbildliche Ensemble. Schließlich besteht es im Wesentlichen unverändert seit weit über 100 Jahren – und demonstriert so, dass gute Architektur nachhaltig und wertbeständig ist.
Mein Vorschlag: Private und öffentliche Siedlungsentwickler haben nach Hellerau zu fahren, damit statt endlosen Reihenhausansammlungen wieder menschliche Wohnviertel entstehen.
Blick von der Terrasse auf typische Häuser: Gasthaus Hellerau
Eine „Seele“ hatte die Gartenstadt von Anfang an, nämlich einen Marktplatz, wo es alles zu kaufen gab. So konnten die rund 2000 Bürger und Handwerker ein Gefühl der Gemeinschaft entwickeln. Schon immer gab es am „Markt“ eine Gaststätte, was bis heute der Name „Kaffee Hellerau“ signalisiert, eine Bezeichnung, die aus Denkmalschutzgründen nicht geändert werden darf. Doch ein Café ist das Gasthaus längst nicht mehr. Denn seit über fünfeinhalb Jahren wirten hier die Köchin Monika Illers und der vom Niederrhein stammende Volker Illers, der den zugewandten Service besorgt – und uns auf der luftigen Terrasse mit aufgebackenem Brot und Frischkäse begrüßt.
Mit Kresse und Kresseöl verfeinert: Gurkenkaltschale
Frisch gekocht wird hier erfreulicherweise. So begeistert eine ausgezeichnete Gurkenkaltschale auf Joghurt-Basis, verfeinert mit einem Hauch Knoblauch und statt dem gewohnten Dill mit Kresse und selbst hergestelltem Kresseöl aromatisiert. Für fünf Euro eine große Portion. Weil wir die letzten Gäste an diesem Tag sind, kann ich mich in Ruhe umschauen – und fotografiere die berühmte, mäandernde Straße „Am grünen Zipfel“.
Sommerliche Gemüse, Champignons und Oliven: Pasta
Fleischselig ist die Küche, die auf der Terrasse und in dem gemütlichen Gastraum serviert wird. Ich probiere „Piccata alla Milanese“ für 14,90 Euro und bekomme zwei korrekt panierte, saftige Schnitzel vom sächsischen Schwein. Darüber 300! Gramm Spaghetti mit Tomatensoße und alles mit Käse überbacken. Ausgezeichnet schmeckt das, aber natürlich viel zu üppig. Gottlob kann die gertenschlanke Köchin auch vegetarisch und die Pasta mit Zucchini- und Möhrenstreifen, Champignons, Cherrytomaten mit frisch geriebenem Parmesan für 13,50 Euro ist zwar auch mächtig, aber schaffbar. Auf jeden Fall zwei köstliche Gerichte, die der gutbürgerlichen Küche alle Ehre machen.
Schafft das Kunststück aus süffig und trocken: Mosel-Riesling
Während ich einen fluffigen Butterkuchen genieße, studiere ich die Weinkarte. Sie listet interessante Güter und vermerkt dankenswerterweise auch den Restzuckergehalt. Mir sind die Tropfen durchweg zu süß. Nur, ich bin ja auch nicht die Zielgruppe. Aber der umtriebige Wirt hat immer eine Lösung – und präsentiert mir seinen Hauswein. Schmeckt erstaunlich süffig – und der soll trocken sein? Ein Anruf beim freundlichen Winzer in Ellenz an der Mosel schafft Klarheit: 2,1 Gramm Restzucker, perfekt! Darauf noch einen Schluck, schließlich senkt trockener Wein den Blutzucker. Zur Verstärkung des Effekts noch ein weich gebrannter Apfelbrand von „Prinz zur Lippe“ aus Meissen – und ein rundum gelungener Wirtshaustag klingt beschwingt aus.
Gasthaus Kaffee Hellerau, Markt 15, 01109 Dresden, 0351/88 34 470. In pandemischen Zeiten können die Öffnungen variieren – am besten telefonisch anfragen. Montags ist jedenfalls zu. www.gasthaus-kaffee-hellerau.de
Drei Minuten sind es vom Gasthaus zur Haltestelle der Linie 8, die in 25 Minuten in die Dresdner Innenstadt fährt.
Schmidt´s heißt ein nach dem legendären Werkstattgründer Karl Schmidt benanntes Restaurant, das eine gehobene Küche offeriert. In den ehemaligen Werkstätten befindet sich das Gasthaus, denn heute hat die inzwischen auf Innenausbau spezialisierte Firma ihre Produktionsstätte in einem eleganten Gebäude auf der gegenüberliegenden Straße.
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„Suitess“ nennt sich ein angenehmes Luxushotel direkt an der Frauenkirche, wo es sich erstaunlich günstig nächtigen und im zugehörigen Restaurant „Moritz“ gut speisen lässt.
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