„Hirsch“: Währschaft

„Hirsch“: Währschaft 2560 1920

„Hirsch“: Währschaft

Auf der schwäbischen Alb begeistert die Familie Kottmann mit raffinierter Regionalküche und feinen Bränden. Aber was hat das mit Hochwasser zu tun?

Wer von München nach Stuttgart auf der Autobahn fährt, blickt am Ende des Albabstiegs auf das in einem Biosphärengebiet liegende Gosbach. Dort steht seit über 200 Jahren der „Hirsch“, den in sechster Generation die Familie Kottmann bewirtschaftet. Ein stattliches Gebäude mit einem Selbstbewusstsein signalisierenden Wirtshausschild. Ein Landgasthof, wie ihn alle suchen – und wie er selten zu finden ist.

Röhrt seit über 200 Jahren: „Hirsch“

Gediegen gemütlich eingerichtet mit viel Holz sind die drei gastlichen Räume. Im Eingangsbereich dominiert die prächtige Vielfalt der selbst gebrannten Schnäpse, grüßt eine mächtige Theke, zeugen Fotos und Gemälde von der langen Familientradition. Einen kleinen Saal gibt es, wo auch Hochzeiten und Konfirmationen gefeiert werden, wie es sich für ein gutbürgerliches Gasthaus gehört. Liebevoll eingedeckt sind die Tische, an denen ein freundlicher Service bedient.

Behütet von höheren Mächten: Gastraum

Mit einem perfekt gezapften, naturtrüben Pils starten wir in den Abend. Es stammt aus der Brauerei Kaiser im nahen Geislingen – und es steht prototypisch auch für die „Hirsch“-Philosophie, die da lautet: Von hier – und das gilt für Gemüse, Fisch, Fleisch, Milchprodukte und Wild. Beim Kaiser-Bier wird das besonders vorbildlich eingelöst, denn da stammt die Braugerste von 15 Landwirten aus der Umgebung, die feste Abnahmeverträge mit leicht über dem Marktniveau liegenden Preisen haben. So bleibt die Wertschöpfung im Lande, wird unnötiges CO2 vermieden – und es ist eine vorbildliche private Alternative zu den staatlich subventionierten Maiskulturen für das sogenannte Biogas. Ach, ja, etwas mehr Hopfen könnte das Pils vertragen.

Schwäbischer Klassiker in Bestform: Flädlesuppe

Angenehm übersichtlich ist die Karte, und ich bestelle von den drei Suppen natürlich die Hirnsuppe für 8 Euro. Eine gute Brühe bildet die Grundlage für dieses selten servierte Gericht. Angenehm sämig ist die Supp, wo ich vom Gehirn wenig schmecke, was kein Wunder ist, da das Organ kaum einen Eigenschmack hat. Wer es „hirniger“ mag, dem empfehle ich das „Bad Schönenbuch“ in der Nähe von Basel. Der schwäbische Klassiker Flädlesuppe für 6 Euro ist hier ungemein aromenstark, und der Griesknödel ist von einer herrlichen Fluffigkeit.

Gibt´s leider nur selten: Kutteln

Wo sie noch serviert werden, bestelle ich sie: Kutteln. Nicht so sehr aus tierethischen Gründen „Wer Tiere isst, muss alles essen“, sondern weil sie mir schmecken. Vor allem, wenn sie so gut zubereitet werden, wie hier: Sauber pariert, fein weichgekocht und in einer würzigen Sauce, wo wahrscheinlich Nelken drin sind – und wo ich mir nur noch einen Schuss Säure gewünscht hätte.

Salate werden oft schrecklich lieblos zubereitet. Im „Hirsch“ wird sorgfältig gearbeitet, wird alles einzeln angemacht, etwa die Möhren, der schlotzige Kartoffelsalat. Es sind diese Details, welche den Unterschied zwischen gut und sehr gut ausmachen.

 

 

Haben Schmelz: Zwiebeln auf dem Rostbraten

Wenn ein Koch sich Küchenmeister nennen darf, steigt er in meiner Achtung. Denn dann hat er sein Handwerk gründlich gelernt – und es gelingt ihm ein Klassiker wie der Zwiebelrostbraten auf das Beste: Andreas Kottmann schafft das Kunststück, dass das Fleisch von der Färse (Rind vor dem ersten Kalben) bissfest, geschmackstark und trotzdem saftig bleibt. Ein Traum die geschmelzten Zwiebeln, knackig der Brokkoli, feinfein die Maultasche, die handgemachten Spätzle – und dazu natürlich eine ausreichende Portion Sauce, die auch noch separat gereicht wird. Ein Gedicht ist diese Sauce, intensiv und trotzdem leicht. Eine sehr ordentliche Portion für höchst angemessene 25 Euro.

Entwickelte draußen Geschmack: Zicklein

Übernommen hat Andreas Kottmann 2011 das Szepter in der Küche von seinem Vater August, natürlich auch er ein Küchenmeister. Großartig das weich geschmorte Zicklein für 26 Euro von der nahen Weidegemeinschaft Gaißatäle. Das ist eine „Gaiß, die draußen war, die gelebt hat, die einen reifen Geschmack entwickeln konnte“, wie mir August Kottmann erklärt. Auch hier gibt es wieder eine exzellente, auf Apfelmost basierende Sauce, die natürlich völlig anders schmeckt, so viel Küchenehre muss sein. Raffinesse gewinnt das Gericht durch ein feines Gemüseküchle, die Heubrösel-Quarknocken und zwei elegante Tupfer von der Mosthefe.

Ein Muss zu diesem Gericht ist der eigene Most aus alten Apfel- und Birnensorten. Perfekt durchgegoren und herrlich erfrischend lässt diese Delikatesse für 3,50 Euro das Viertele die meisten hochgerühmten Frankfurter Äppelwois alt aussehen. Neugierig, wie wir sind, ordern wir für 30 Euro noch eine Flasche 2017er Riesling vom schwäbischen Paradewinzer Karl Haidle aus Kernen-Stetten im Remstal. Gerade mal 11 Prozent Alkohol hat dieser Biowein – und beschert trotzdem ein vollmundiges Trinkvergnügen. Einsame Klasse!

Währschaft nennen die Schweizer Gasthäuser, wo alles stimmt. Der „Hirsch“ ist währschaft: Raffinierte Landküche; Produkte aus der Umgebung; große, fast zu große Portionen; reelle Preise; aufmerksamer, freundlicher Service; wunderbare Lage.

Wären mehr Wirtschaften währschaft, wäre die Welt besser.

 

Herr der Brände: August Kottmann

Ein faszinierender Erzähler ist August Kottmann. Und er hat viel zu erzählen. Natürlich in erster Linie von seinen unendlich vielen Schnäpsen, die er mit großer Leidenschaft destilliert. Über 100 Sorten brennt er, vor allem von den Streuobstbäumen rund um Gosbach. Ans Herz legen kann ich Ihnen ein Destillat von der alten Sorte Nägelesbirne, die süßlich-herbe, essbare Mostbirnen hervorbringt. Der Duft ist so intensiv, dass er locker an die berühmte Williamsbirne heranreicht. Ein Schluck von diesem Schnaps getrunken – und danach hat kein Wein mehr eine Chance. Diese Birne ist die unumschränkte Aromenherrscherin. 28 Euro kostet der halbe Liter.

Auch hier ist die Nachfolge geregelt: Andreas Kottmann ist ebenfalls Meister-Destillateur.

Kann Hochwasser dämpfen: Apfelbaum

Bäume und die Natur sind die große Leidenschaft von August Kottmann. Komplexe ökologische Zusammenhänge kann er einfach mitreißend erläutern: „Das Mäandern der heimischen Flüsse war unser Rückhaltebecken“, so sein Kommentar zum aktuellen Hochwasser. Es sind diese menschengemachten Eingriffe, die Begradigung von Bächen und Flüssen, das Roden von Hecken, das Versiegeln der Böden, welche aus Unwettern immer öfter Katastrophen machen.

Besonders angetan haben es ihm die alten, mächtigen Birnenbäume, welche natürlich kein Hochwasser verhindern, aber vielleicht die gefährlichen Spitzen abfangen können. Da denke ich an die zwei Winzertöchter von der Ahr, denen der Keller weggeschwemmt wurde. Ihr Leben verdanken sie einem mächtigen Baum, der den Fluten standhielt und in dessen mächtige Krone sie sich retteten. Vielleicht laden die Ahrwinzer einmal den August Kottmann ein, der weiß, wie sich die Ahrtaler künftig besser wappnen.

Ein Lehrpfad mit über 120 alten Apfel- und Birnensorten führt von Gosbach nach Bad Ditzenbach. August Kottmann bietet hier legendäre Führungen an, wo er etwa erläutert, warum der abgebildete Boikenapfel auch fürs raue Albklima geeignet ist. Ich freue mich auf seinen Vortrag im Herbst!

„Hirsch“

Adresse: Unterdorfstraße 2, 73 342 Ditzenbach-Gosbach

Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch ist zu. Donnerstag und Freitag mittags und abends offen. Am Wochenende ab 11 Uhr durchgehend. Das Hotel bietet acht moderne Zimmer

Kontakt: 07335/9630-0  http://www.hirsch-badditzenbach.de

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