Metzgerei Friedrichs: From Nose to Theke
Die eigenen Kühe weiden vor der Stadt. Verkauft wird das selbst geschlachtete Fleisch mitten in Köln. Ein einzigartiges Modell mit großer Zukunft
Auf zwei Fragen gibt es selten wahrheitsgetreue Antworten: „Liebst du mich wirklich?“ und „Woher kommt das Fleisch?“ Immerhin, bei der Fleischfrage gibt es nun einen Lichtblick, zumindest für die Kunden der Metzgerei Friedrichs im gutbürgerlichen Kölner Stadtteil Sülz. Die Familienmetzgerei hält nämlich eine runde Stunde östlich der Domstadt im Bergischen Land eine eigene Rinderherde. Nur wenige Kilometer von diesem Hof entfernt wird geschlachtet und alles im eigenen Betrieb zu Fleisch und Wurst verarbeitet. So können die Kunden in Sülz sicher sein, dass sie genau wissen, wo die Ware vom Rindvieh herkommt – ein für eine Großstadt wohl ziemlich einmaliges Modell in Deutschland.
Mampfen zufrieden das eigene Heu: Friedrichs-Rinder
Bereits in der dritten Generation existiert der Bauernhof im ländlichen Bergischen Land zwischen Gummersbach und Siegen. War es anfangs eine reine Milchviehwirtschaft, so stellte der gelernte Metzgergeselle Christoph Friedrichs den Betrieb auf Mutterkuhhaltung um – und alles ist seit 28 Jahren vorbildlich ökologisch zertifiziert. Rund 30 Rinder werden gezüchtet und gehalten, vor allem die für ihre hohe Fleischqualität bekannten Rassen Charolais und Limousin. Im Sommer weiden die Tiere auf den mit über 30 Hektar sehr großzügigen Feldern und Wiesen rund um den Hof und sind im Winter im offenen Tretmiststall. Das alles hat nichts mit der berüchtigten Massentierhaltung zu tun, wobei ich mir die Ställe noch geräumiger und lichter vorstellen könnte. Auf jeden Fall macht das Vieh einen zufriedenen Eindruck.
Ganz wichtig: Die Tiere erhalten ausschließlich selbst angebautes Futter, Antibiotika, Hormone und Mastfutter sind gottseidank tabu. Einen entscheidenden Vorzug hat diese Konzentration auf das Eigene: So wird nur so viel Vieh gehalten, wie es Hof und Natur verkraften können – intelligenter lässt sich Nachhaltigkeit nicht gestalten!
Freude an der Arbeit: Metzgermeister Kent Osenberg
So vorbildlich wie das Vieh aufwächst, so vorbildlich wird es verarbeitet: Die auf traditionelle Weise geschlachteten Tiere hängen eine Woche ab – und werden dann auf dem heimischen Hof vom Metzgermeister Kent Osenberg und drei Mitarbeitern zerlegt und ohne Geschmackverstärker verarbeitet. Geräuchert wird mit Spänen von Buchenholz, was die ganze Metzgerei in einen verführerischen Duft hüllt. Auffallend: Es herrscht eine fröhliche Atmosphäre, alle sind mit Freude bei der Arbeit. Konsequenterweise konzentrieren sich die Friedrichs auf die Rinderzucht und beziehen die Schweine vom hochinteressanten Bauern Korte im Sauerland, wo die Schweine in Freiluftställen und auf der Weide gehalten werden. Das Geflügel stammt von einem Betrieb bei Dortmund, der selbst schlachtet.
Wie es sich gehört, wird alles verwertet – wobei leider nicht alle Teile im Laden zu haben sind. So vermisse ich schmerzlich Delikatessen wie Kutteln und Ochsenmaulsalat, was aber wahrscheinlich in Köln unverkäuflich wäre. Von Nose to tail heißt diese vollständige Nutzung eines Tieres – was bei mir flapsig mutiert ist zu „From Nose to Theke“.
Beste regionale Qualität: Metzgerei Friedrichs
Die Theke steht seit drei Jahren in einem eigenen Laden in der lebendigen Sülzburgstraße nahe der Kölner Uni. Eine veritable Stammkundschaft wurde aufgebaut, die auch den deftig-raffinierten Mittagstisch zu schätzen weiß, für den inzwischen zwei Köche zuständig sind. Bemerkenswert: Die Friedrichs waren die ersten, die nach zehn Jahren in Köln wieder eine handwerkliche Metzgerei gegründet haben. Ein Laden mit einer unverkennbaren Handschrift aus unverputzten Ziegeln und rustikalen Sitzbänken. Hier macht sich bemerkbar, dass der 38-jährige David gelernter Zimmermann ist. Dass sein 40 Jahre alter Bruder Sebastian viel von Kommunikation versteht, zeigt der ungemein sympathische Auftritt im Netz. Transparenz ist das Motto der Friedrichs – und Transparenz wird auch gelebt: Fensterscheiben ermöglichen einen Blick ins Kühlhaus und in die Vorbereitungsküche. Energiesparend und trotzdem angenehm ist die Lichtinszenierung mit LED-Lampen.
Hier herrscht Transparenz: Blick ins Innere
Mich haben die geräucherte Fleischwurst begeistert – und auch die Würste, die nur so strotzen vor Fleisch, sie sind sehr fest, wobei mir vor allem die bestens gewürzte frische Bratwurst und die Rindswurst schmecken. Allerdings muss schonend gegart werden, sonst geraten sie leicht trocken. Ein Gedicht der Tafelspitz, den ich nach einem Rezept von David Friedrichs zubereitet habe, der anfangs in der Metzgerei gekocht hat: Rund 800 Gramm Tafelspitz anbraten, Wurzelgemüse zugeben und mit 350 Milliliter vom eigenen Rinderfond ablöschen. Das Ganze eine starke Stunde sanft köcheln und zehn Minuten ruhen lassen. Plus eine Prise frischen Meerrettich. Das spart die Fahrt nach Wien, denn der Klassiker mundet dort auch nicht besser!
Sebastian, Christoph, David: Die geerdeten Friedrichs
Ja, ich gebe zu, die Friedrichs begeistern mich! Das fängt mit dem kräftigen Handschlag an, geht weiter mit der offenen Art der Familie. Aufgebaut hat der 61-jährige Christoph mit seiner Frau Petra den Betrieb – und er arbeitete jahrelang hauptberuflich auch als Rettungssanitäter, was der Familie in der volatilen Landwirtschaft auf jeden Fall eine Existenz sicherte. Inzwischen sind beide Eltern in dem Betrieb fest angestellt. Die beiden Brüder sind auf dem Hof groß geworden, sind dort bis heute geerdet, wohnen aber mitten in Köln in einem angesagten Viertel. So kennen und bedienen sie die Bedürfnisse einer urbanen Kundschaft, der Worte wie Tierwohl nicht nur Lippenbekenntnisse wert sind, sondern die sich das auch was kosten lassen – wobei sich die Preise im schicklichen Rahmen halten.
Ohne Perspektive ist die derzeitige konventionelle Landwirtschaft, die mit ihrer Maßlosigkeit die eigenen Lebensgrundlagen zerstört. Sei es die Gesundheit der Böden; sei es die Artenvielfalt; sei es die Lebensräume der Tiere, etwa der Bienen. Das wissen die Friedrichs. Daraus folgt bei ihnen aber nicht Resignation, sondern sie bauen etwas Neues, etwas Nachhaltiges auf und nennen sich deshalb selbstbewusst „Friedrichs – Die Metzgerei“.
Kreise zieht der ungewöhnliche Ansatz. So ist es kein Wunder, dass der Familie in einem bestbürgerlichen Kölner Stadtteil die Übernahme einer Metzgerei angetragen worden ist, was wohl noch in diesem Jahr erfolgen soll. Die Räume sind dort deutlich größer, sodass auch eine kleine, feine Produktion frischer Wurstwaren möglich wird. Frische Wurstwaren in einem Wohngebiet – das Metzgerhandwerk hat eine neue goldene Zukunft!
Lassen Sie sich animieren von www.friedrichs-diemetzgerei.de