„otto“/“Shima“: Spannend!
Gute Chancen für zwei Kölner Neustarts: Beide Lokale in der Innenstadt wurzeln in etablierten Betrieben
Mutig, wer in diesen trubligen Zeiten Neues wagt. Aber sowohl das italienisch orientierte „otto“ wie das japanisch ausgerichtete „Shima“ gründen auf starken Pfeilern: Beim otto ist es das überaus beliebte und bestens besuchte maiBeck der beiden Inhaber Jan Maier und Tobias Becker. Beim Shima ist es das genau so beliebte und ebenfalls oft ausgebuchte Ito mit seinem japanischen Chefkoch Kengo Nishimi. Was beide Betriebe auszeichnet: Der Einsatz von hervorragenden Produkten.
Beherrscht das Gastrogeschäft: Jan Maier vom maiBeck
Direkt am Rhein liegt das maiBeck. Nicht weit davon entfernt ist das otto, was acht auf italienisch heißt. So wie im Stammlokal stehen auch im otto die Tische relativ eng und es ist laut und trubelig. Allerdings wirkt alles ein wenig edler, Referenz an ein kurzzeitig in den Räumen residierendes Spitzenrestaurant.
Ein interessantes Eröffnungsangebot gibt es bis Ende April: 99 Euro pro Person für mehrere Gänge, inklusive Wein. Noch ist nur abends geöffnet, aber bald soll es auch einen Mittagstisch geben: Gut mit Personal bestückt ist das Restaurant, und die Köche servieren teilweise selbst. Kleines Highlight: Jetzt am Anfang ist Jan Maier im Lokal sehr präsent, ein wunderbarer Gastgeber. Dem es wohl auch zu verdanken ist, dass das kleine Lokal schon jetzt an vielen Abenden ausgebucht ist.
Hauptgrund für die Beliebtheit sind aber natürlich die Speisen – und da setzt der erste Gang gleich ein deutliches Ausrufezeichen: Hauchdünne, beste Pulposcheiben, dünn gehobelter Spargel und herrlich kontrastierende Stückchen Orange beamen direkt nach Bella Italia. Interessant die servierten Weine, die ausschließlich aus Italien kommen, etwa ein feiner Chardonnay aus der Langhe oder ein sehr kräftiger Arneis aus dem Piemont.
Beste italienische Küche: Pulpo, Spargel und Orange
Es folgen ein excellenter Mozzarella di Buffola mit einer perfekt mild marinierten Sardine. Etwas zu bissfest gerät im nächsten Gang die Strozzapreti heißende (eine dickliche Nudel) Pasta mit Bärlauch. Geteilt die Meinungen zum Risotto, das ich prinzipiell nicht esse, weil es den Blutzucker explodieren lässt. Meiner in Norditalien aufgewachsenen Begleitung war es etwas zu wässrig geraten.
Einhellig positiv dann das Urteil über den Hauptgang, einen auf den perfekten Punkt gebratenen Branzino, also Wolfsbarsch, von bemerkenswerter Frische. Ideal ergänzt von leicht gebratenem Blumenkohl und zart-bitterem Rapa, ein Gemüse, das bei uns wenig prosaisch Stängelkohl genannt wird. Entzückte Begeisterung an unserem Tisch auch beim zitronigen, gottseidank nicht zu süßen Dessert.
Alles bestens, also? Nicht ganz, etwas stört, nämlich die Dauer. Wer um 19 Uhr kommt, verlässt das Restaurant erst gegen 23 Uhr. Das ist zu lang. Also lieber weniger Gänge und mehr flotti-flotti.
Frischer Fisch, perfekt gebraten: Branzino
In direkter Sichtnähe zum weltberühmten Dom passt es perfekt, dass die otto-Macher auch ein Herz für etwas haben, was auch in Italien allgegenwärtig ist: Eine Marienskulptur. Wobei die Gottesmutter nicht verschämt in einem Winkel steht, sondern in einem effektvoll beleuchtetem Glaskasten würdevoll Hof hält.
Fazit: Wer im vor guten Italienern strotzenden Köln reüssieren will, muss besonders sein. So wie das otto, wo Gänge wie die ersten Vorspeisen, der Hauptgang, das Dessert jetzt schon Maßstäbe setzen. Der Rest wird sich finden.
„otto“: Am Hof 48 (liegt zwischen Philharmonie und Heumarkt) 50 667 Köln, fuerdich@maibeck.de, Dienstag bis Samstag ab 19 Uhr www.otto-fuerdich.de
Wo Maria wacht, weht italienische Grandezza
Schon einige Monate länger als das „otto“ ist das „Shima“ am Start. Auch das die Ausgründung eines etablierten Hauses, nämlich dem „Ito“, einem der besten japanischen Restaurants der Domstadt. Im quirligen Belgischen Viertel liegt das Shima, direkt um die Ecke vom Ito. Auch hier stehen die Tische eng, es ist laut – und es ist gut. Vor allem die Qualität von Fischen und Meeresfrüchten ist herausragend, wobei es ähnliche Lieferanten wie im Ito sind, vieles kommt topfrisch aus dem niederländischen Vlissingen mit seinem berühmten Fischhafen.
Herausragend ist der Service, vor allem durch die Gastgeberin und Sommelière Soukaina „Sousou“ Ababou. Sie vereint eine hohe Fachkompetenz, gepaart mit einer herrlich charmanten Art. Natürlich hat so jemand auch andere Offerten, aber ich hoffe, dass sie Köln noch lange erhalten bleibt.
Wilde Tiere für eine wilde Küche: Shima
Wer die vielfältige Küche von Chefkoch Philippe Zessler kennenlernen will, bestellt „Shima-Experience“, was 129 Euro für zwei kostet. Die „Erfahrung“ startet mit einer endlich einmal heißen, kräftigen Miso-Suppe, wo Alge, Frühlauch und Tofu zum japanisch inspirierten Stelldichein aufspielen. Gefolgt von drei Tellern, welche japanische und europäische Küchentechniken klug amalgieren: Lachs in Soja-Sauce, Rote Bete und vor allem Kalbszunge in einer Würzsauce aus braunem Senf mit klein geschnittener Yamswurzel. Das ist pure Umami-Power und schmeckt genial.
Dünn aufgeschnitten, dicht schmeckend: Kalbszunge
GeMessen essen heißt meine Devise. Wer also wie ich den Zucker zügeln will, ohne Insulin zu spritzen, macht am besten einen weiten Bogen um Sushi, also roher Fisch, gebettet auf einem speziellen Reis. Das schmeckt natürlich hervorragend, aber mein Freestyle Libre-Gerät, das permanent den Blutzucker misst, schlug sofort Alarm: Von moderaten 70 mg/dl kletterte der Blutzucker in kürzester Zeit auf deutlich über 250 mg/dl und damit in den kritischen Bereich. Aber die Shima-Köche sind Profis und sie machten auch sogleich einen guten Vorschlag: So wird mir beim nächsten Besuch statt Sushi ein Sashimi serviert werden, also roher Fisch ohne Reis.
Schmeckt gut, tut schlecht: Sushi
Es folgen noch drei weitere Gerichte, bevor dann das kaum süße Dessert das großartige Menu abschließt. Besonders begeistert hat mich ein ungemein saftiges Secreto vom Iberico-Schwein. Das ist ein grobfaseriges, von feinen Fettäderchen durchzogenes Muskelstück, quasi das schweinerne Equivalent zum Wagyurind. Das Ganze schwimmt in einem Salzzitronen-Dashi, also Fischsud und wird mit Nussbutter verfeinert. Ein herausragendes Gericht.
Weniger herausragend war der von mir ausgesuchte Wein, ein 2021er Riesling vom Paradeweingut Trimbach aus dem Elsass für 45 Euro. Solo schmeckte der knochentrockene Tropfen ausgezeichnet, aber er wollte einfach nicht zum Essen passen. Doch Sousou erkannte das Problem sofort und schlägt mir einen Wein von einem deutschen Topwinzer vor, der auch noch bezahlbar ist. Noch ein guter Grund, bald wieder ins Shima zu kommen.
Fazit: In kürzester Zeit hat sich das Shima mit seiner eigenständigen Küche zu einer japanischen Topadresse entwickelt.
Shima Limburger Straße 19, 50672 Köln, Dienstag bis Samstag ab 18 Uhr; Mittwoch bis Samstag auch mittags. Telefon: 0221/7000 52 92. www.shima-by-ito.de
Schwein in Bestform: Iberico-Secreto